Österreichs "Mr. Brexit" verhandelt Austritt der Briten
"Das Wesentliche beim Verhandeln ist es, etwas Gemeinsames, Positives zu schaffen, in die gleiche Richtung zu gehen", sagt Gregor Schusterschitz, österreichischer Spitzendiplomat mit ausgeprägter Verhandlungserfahrung. Doch worin die Gemeinsamkeiten zwischen den austrittswilligen Briten und den anderen 27 EU-Staaten liegen, das gilt es erst einmal bei den heute in Brüssel beginnenden Brexit-Gesprächen auszuloten.
Kein einfacher Start
Das für Premierministerin Theresa May vernichtende Wahlergebnis hat den Start in die Verhandlungen nicht gerade einfacher gemacht. Auch nicht für die EU-Kommission, die im Augenblick weniger denn je weiß, auf welchen konkreten Kurs Londons man sich einstellen muss. In vielen Sitzungen in Brüssel aber hat der dezidierte Europa-und Völkerrechtsexperte Schusterschitz die Erfahrung gemacht: Britische Diplomaten sind oft knallharte und meist erfolgreiche Verhandler.
Gregor Schusterschitz, derzeit Botschafter in Luxemburg, ist Österreichs Chefverhandler bei den Brexit-Gesprächen. Er ist nicht Teil des Kommissionsteams rund um Michel Barnier, sondern der sogenannten Ad-hoc-Ratsgruppe. Dort bringt Schusterschitz so wie die Delegierten der anderen 26-EU-Staaten die Position ihrer jeweiligen Regierung ein. Alle zwei Wochen pendelt er nun ins nahe Brüssel. Eine Forderung hat Wien Österreichs „Mr. Brexit“ schon in aller Deutlichkeit mitgegeben: Auch nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU will Österreich nicht mehr als jetzt ins EU-Budget einzahlen.
Mit der Gelassenheit eines erprobten Verhandlers sieht er den Gesprächen entgegen. Für das eine oder andere Problem – etwa beim Thema Europäischer Gerichtshof (den Großbritannien gar nicht will) – werde man sich wohl "kreative Lösungen einfallen lassen müssen", sagt Schusterschitz. Wichtig sei jedenfalls "die Briten nicht einfach zu überfahren". Oder anders gesagt: Bei allen technischen Details, die es im Unionsrecht durchzuackern gilt, sei auch die psychologische Komponente der Gespräche nicht zu vernachlässigen.
Der langgediente Diplomat weiß, wovon er spricht: Er hat mitverhandelt, als Österreich gegenüber der EU die Medizinerquote für heimische Studenten herausschlug. Bei den Privatisierungsgesprächen der AUA saß Schusterschitz ebenfalls mit am Verhandlungstisch. Die entscheidenden Weichen für den Verlauf der Brexit-Gespräche werden bereits in den nächsten Wochen gestellt werden. "Auf alle Fälle werden die Verhandlungen auch die österreichische Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2018 beeinflussen", glaubt Schusterschitz.
Verlängerung nicht ausgeschlossen
Bis spätestens Jänner 2019 müssten die Verhandlungen abgeschlossen sein. Auch wenn man dies in Brüssel vermeiden möchte, bleibt die Tür für einen Ausweg trotzdem offen. "Der Europäische Rat kann zusammen mit den Briten einstimmig die Frist verlängern", sagt Schusterschitz. Doch als Verhandler, der viele Nachtstreitgespräche bis zum frühen Morgen hinter sich gebracht hat, weiß Gregor Schusterschitz auch: "Vielleicht braucht es einfach auch nur eine Last-Minute-Dramatik."
Fahrplan der Brexit-Gespräche:
London hat angeboten, die jetzt geltenden Rechte der drei Millionen EU-Bürger in Großbritannien zu erhalten. Dies wird in Brüssel als Signal des Entgegenkommens gesehen. Bis Oktober hofft man die ersten Punkte der Scheidung abzuwickeln. Auch wenn man dies offiziell nicht bestätigt, werden noch während der Trennungsgespräche Verhandlungen über ein künftiges Abkommen zwischen London und der EU starten. Datum des Austritts: März 2019.
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