Brexit: Machtspiele vor historischer Abstimmung

Brexit: Machtspiele vor historischer Abstimmung
Das Nein zum EU-Austrittsdeal von Premierministerin May im Parlament scheint sicher. Was danach kommt, ist völlig unklar.

Einen Fuchsbau hat man das Londoner Unterhaus einst genannt, voll von verwinkelten Gängen und einer endlosen Abfolge kleiner Räume, in die man sich zu politischen Absprachen hinter verschlossenen Türen zurückzieht. Und was da an Absprachen in den vergangenen Tagen und Wochen getroffen wurde, lässt sich auch für routinierte politische Beobachter kaum noch entwirren.

Wenn am Dienstag endgültig über den EU-Austrittspakt der britischen Premierministerin Theresa May abgestimmt wird, werden sich aller Voraussicht nach fanatische EU-Gegner und verzweifelte EU-Befürworter zu einer unseligen Allianz gegen diesen Pakt zusammenfinden. Das „Nein“ scheint den meisten unausweichlich, das Danach ist aber völlig rätselhaft. Zehn Wochen vor dem geplanten EU-Austritt Großbritanniens scheint alles möglich, von Neuwahlen bis zum wilden Brexit ohne jegliche Vereinbarung mit der EU.

EU-Austritt nach Plan

Mit letzten Aufrufen und Drohungen hatte die Premierministerin noch einmal versucht, EU-Gegner in der eigenen Partei für sich zu gewinnen. Ein „Nein“ zu ihrem Deal würde die Befürworter einer schottischen Unabhängigkeit und eines Zusammenschlusses von Nordirland und Irland stärken. Eine Verschiebung des EU-Austrittes aber, über die in den letzten Tagen in London heftig spekuliert wurde, werde es nicht geben. Das Land trete am 29. März aus.

Die Zeit aber läuft EU-Gegnern und -Befürwortern, Regierung und Opposition davon. Fällt Mays Plan heute durch, muss die Premierministerin schon am Montag kommender Woche klarmachen, welchen Schritt sie als Nächstes setzen wird. Möglich scheint derzeit alles vom freiwilligen Rücktritt bis hin zu weiteren Versuchen, der EU etwas abzuringen. Alles abhängig von der Schwere der Niederlage, die May heute erwartet. Sollte ein neuer Plan für den EU-Austritt gefunden werden, was die Mehrheit der politischen Beobachter bezweifelt, müsste das Parlament ihn bis Anfang Februar absegnen.

Oppositionschef Jeremy Corbyn sieht ohnehin eine Neuwahl als einzigen Ausweg. Den notwendigen Misstrauensantrag im Parlament werde er „sehr bald“ einbringen, kündigte der Labour-Politiker an. Für eine Mehrheit aber bräuchte man Stimmen aus der Regierungspartei. Dort aber sind sich selbst die fanatischsten May-Gegner einig, dass man sich lieber mit der Premierministerin abfinden als dem Labour-Chef den Weg in die Downing Street öffnen werde.

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Vage Hoffnungen

Auch steht Corbyn in der eigenen Partei vor immer mehr Widerstand gegen seine Fixierung auf Neuwahlen und seine Planlosigkeit, was den EU-Austritt betrifft. Der überzeugte EU-Gegner Corbyn hüllt sich dabei in verschlungene Formulierungen über den besten Brexit-Deal, den er als Regierungschef erreichen könne. Gerade junge Labour-Abgeordnete drängen stattdessen auf ein zweites Referendum über den EU-Austritt, hoffen den Brexit auf diese Weise einfach wieder loswerden zu können.

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Finten im Parlament

Wann und wie aber dafür eine Mehrheit im Parlament zustande kommen soll, bleibt unklar. Allerdings ist das Unterhaus immer für Überraschungen gut. Die oft lückenhafte und in Jahrhunderten meist aus Gewohnheitsrecht zusammengeflickte Hausordnung des Parlaments lässt Initiativen zu, die dem Brexit eine unerwartete neue Wendung geben könnten. Nicht umsonst tauchen gerade jetzt Berichte über eine Verschwörung von Parlamentariern auf, die der Regierung die weiteren Brexit-Abläufe aus der Hand nehmen und einem Parlamentsausschuss überantworten könnten.

Wohin und wie weit diese Rebellion aber führen könnte, bleibt rätselhaft. Nicht nur die Räumlichkeiten im Unterhaus, auch die Abläufe seien eben unübersichtlich, wie eine EU-Diplomatin ironisch anmerkt: „Dieses Parlament hat viele verschlungene Gänge und Wege.“

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