Tapfere May am EU-Gipfel: "War etwas letzte Woche?"

Tapfere May am EU-Gipfel: "War etwas letzte Woche?"
Bislang gibt es nur unverbindliche Zusicherungen für May am EU-Gipfel. May nimmt es mit britischem Humor.

Der EU-Gipfel in Brüssel hätte für Theresa May recht viel schlechter nicht starten können. In Sachen Nachverhandlungen gab es eine klare Abfuhr. Die britische Premierministerin bekam lediglich rechtlich unverbindliche Zusicherungen von den restlichen EU-Ländern, aber nichts Handfestes. Ganz im Gegenteil wurde schriftlich festgehalten, dass die EU Neuverhandlungen ausschließe.

Mitgenommen, aber tapfer

Dennoch gab sich May bei einer Pressekonferenz am Freitagnachmittag geradezu tapfer und zuversichtlich. Sie sprach davon, dass sie mehr Klarstellungen zu den Passagen des Deals brauche. Generell herrsche Einvernehmen, dass der Backstop vermieden werden sollte bzw. wenn, dann nur temporär kommen solle.

Zur Erinnerung: Der Backstop soll garantieren, dass es nach dem Brexit keine Kontrollen oder Schlagbäume zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland gibt. Gleichzeitig müsste das Vereinigte Königreich bis auf weiteres in einer Zollunion bleiben.

May begrüßte die vom EU-Gipfel in der Nacht auf Freitag gegebenen Zusicherungen zum Backstop. Für May hätten sie rechtlichen Status und gingen weiter als je zuvor. Es sei aber klar, dass das Unterhaus mehr Zugeständnisse benötige, damit der Vertrag ratifiziert werden könne. Sie habe auch heute mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über weitere Zusicherungen gesprochen, berichtete May.

May bewies außerdem Sinn für Humor. Auf die Frage, ob die vergangene Woche sehr schwierig war und sie sehr mitgenommen aussehe, antwortete May leicht amüsiert: "Nein, war etwas letzte Woche?"

May stellte Juncker erbost zur Rede

Nach den zähen Brexit-Gesprächen Donnerstagabend sind May und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aneinandergeraten. Stein des Anstoßes war Junckers Äußerung vom Donnerstagabend, die Brexit-Gespräche mit den Briten seien "nebulös und unpräzise".

May wollte dies nicht auf sich sitzen lassen. Sie stellte Juncker zur Rede, als sie ihn am Freitagmorgen im Ratsgebäude traf. Eine Fernsehkamera hielt die Szene im EU-Ratsgebäude fest, der britische Sender Channel 5 ließ sie von einem Experten für Lippenlesen untersuchen. "Wie haben Sie mich bezeichnet?", herrschte May den Kommissionspräsidenten demnach an. "Sie haben mich als nebulös bezeichnet. Ja, das haben Sie gemacht."

Auf ihrer Pressekonferenz berichtete May, sie habe ein "robustes" Gespräch mit Juncker geführt. Dieser habe ihr versichert, dass er mit dem Wort "nebulös" lediglich den allgemeinen Stand der Debatte charakterisiert habe.

Lob für Kurz

Lob gab es für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und die österreichische EU-Ratspräsidentschaft für ihre konstruktive Rolle beim Brexit. Kurz sei "sehr hilfreich" mit seinem positiven Ansatz in den Verhandlungen gewesen, sagte. Kurz wolle, dass es für beide Seiten einen guten Deal gebe. Österreich habe "eine sehr gute Präsidentschaft" hingelegt, sagte May. "Er war sehr positiv."

EU bereitet sich auf "No Deal" vor

Nichtsdestotrotz will sich die EU verstärkt auf einen Austritt ohne Abkommen vorbereiten. May steht seit Monaten innenpolitisch massiv unter Druck und hatte eine Abstimmung über den Brexit-Vertrag im britischen Unterhaus wegen fehlender Mehrheiten verschieben müssen.

Knackpunkt Backstop

Die Auffanglösung für Nordirland, auch Backstop genannt, würde in Kraft treten, wenn sich die EU und Großbritannien in den kommenden Jahren nicht auf eine bessere Lösung einigen. Das Vereinigte Königreich bliebe dann bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU. Brexit-Hardliner in Mays konservativer Partei befürchten, dass das Vereinigte Königreich auf Dauer an die EU gebunden bliebe. Sie fordern deshalb ein Enddatum für den Backstop zu Nordirland. Dies lehnt die EU aber kategorisch ab.

May bat ihre EU-Kollegen am Donnerstagabend eindringlich um Unterstützung. In ihrem Land habe sich der Eindruck verbreitet, die Nordirland-Klausel in dem Austrittsvertrag sei eine "Falle, aus der das Vereinigte Königreich nicht mehr herauskommt", sagte sie nach Angaben ihres Büros. Mit den "richtigen Zusicherungen" von Seiten der EU könne das ausgehandelte Brexit-Abkommen im Unterhaus doch noch verabschiedet werden.

In einer Erklärung hielten die anderen EU-Chefs daraufhin fest, dass sie "Neuverhandlungen" zu dem Austrittsvertrag ausschließen. Die EU sei aber "fest entschlossen", mit London nach dem EU-Austritt im März kommenden Jahres schnell Verhandlungen über eine Vereinbarung aufzunehmen, um die Auffanglösung für die irische Grenze überflüssig zu machen. Falls die Notlösung doch kommen würde, solle sie nur "vorübergehend" und "so lange wie unbedingt erforderlich" in Kraft bleiben.

Schaltungen nach Brüssel und London

Blair für zweites Referendum

Der ehemalige britische Regierungschef Tony Blair hat May aufgerufen, ein zweites Brexit-Referendum abzuhalten. "Mein Ratschlag an sie ist, dass es keinen Sinn hat, sprichwörtlich mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen", sagte Blair bei einer Rede in London am Freitag. "Wenn man sich das ganze Schlamassel anschaut, wie kann es dann undemokratisch sein, zum britischen Volk sagen: O.K., im Lichte von all dem, wollt ihr das durchziehen oder bleiben?", so Blair, der schon seit Monaten eine weitere Volksabstimmung über den Brexit fordert.

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