Brexit: Johnson steckt in politischer Grenzblockade mit EU

Premier Johnsons neue Verhandlungsmission droht an Nordirland-Frage zu scheitern

„Flexible und kreative Lösungen“ wünscht er sich, und die müsse man eben „ausfindig machen“. Boris Johnson ist auf dem Weg nach Kontinentaleuropa. Bei Treffen mit Angela Merkel und Emmanuel Macron, Mittwoch und Donnerstag, will der britische Premier noch einmal die Möglichkeiten für ein Brexit-Abkommen ausloten.

Vorab aber hat der britische Premier einen Brief an EU-Ratschef Donald Tusk geschickt, in dem er noch einmal seine zentrale Forderung deutlich macht. Die lautet wenig überraschend: Die sogenannte Backstop-Regelung für Nordirland muss weg. Die besagt ja, dass die britische Provinz Nordirland – wenn kein neues Grenzabkommen mit der Republik Irland zustande kommt – in einer Zollunion mit der EU bleibt. Für Johnson ist das „unmachbar“. Der Backstop so schreibt er in dem Brief, sei „undemokratisch“, gefährde den Frieden in Nordirland und sei mit langfristigen Beziehungen mit der EU nicht vereinbar.

Schutz vor Konflikten

Also, so Johnson, müssten die erwähnten „flexiblen und kreativen Lösungen“ her. Wie die allerdings aussehen sollen, verrät der Premier nicht, und auch auf Seite der EU kann man sich nicht vorstellen, worum es gehen könnte. Schließlich, so betont auch Donald Tusk, habe man über Jahre mit Großbritannien verhandelt, nur um den Backstop als anscheinend einzig mögliche Lösung zu erzielen: „Die Backstop–Klausel ist eine Versicherung, dass auf der irischen Insel keine harte Grenze entsteht. Wer den Backstop ablehnt und keine realistische Alternative vorschlägt, unterstützt die Errichtung einer harten Grenze“.

Denn diese harte Grenze, so fürchtet man in Brüssel, könnte den Konflikt in Nordirland wieder ausbrechen lassen. Zwar ist die Provinz seit dem Karfreitagsabkommen von 1998 weitgehend befriedet, doch zwischen den pro-britischen Protestanten und den pro-irischen Katholiken ist die Kluft weiterhin tief. Die politischen Parteien auf beiden Seiten scheitern weiterhin daran, die gemeinsame Regierung wieder zum Laufen zu bringen. Immer wieder kommt es zu vereinzelten Gewaltakten, offensichtlich angeheizt durch den Streit über den Brexit und die Folgen für Nordirland. Sollten die Grenzbalken zwischen Nordirland und Irland wieder hochgehen, würde das die Radikalen auf beiden Seiten nur wieder stärker machen, fürchtet man auch in Dublin.

Johnson hat sich deshalb zu Wochenbeginn mit dem irischen Premier Leo Varadkar kurzgeschaltet. Ein einstündiges Telefongespräch brachte aber keinerlei Bewegung in den Konflikt. Auch Varadkar bleibt strikt bei der offiziellen Haltung der EU, dass das Austrittsabkommen der EU mit Großbritannien ausgehandelt sei – inklusive Backstop – und daher auf keinen Fall mehr aufgeschnürt werde.

Geschlossene Front

Boris Johnson hatte darauf gesetzt, Druck auf die EU ausüben zu können. So hatte man Pläne in Umlauf gesetzt, dass EU-Bürgern in Großbritannien sofort nach dem Brexit die Ein- und Ausreise erschwert werde.

Die erhoffte Wirkung auf die EU-Partner aber blieb aus. In Berlin, wo Johnson am Mittwoch eintrifft, rechnet man ohnehin bereits mit einem harten Brexit. Ein internes Regierungspapier nennt diesen „höchst wahrscheinlich“. Es sei nicht zu erwarten, dass Johnson von seinen harten Forderungen abrücke.

Noch weniger Gesprächsbereitschaft ist in Paris zu erwarten. Angela Merkel hat Großbritannien lange als Verbündeten im Kampf gegen eine übermächtige zentralistische EU betrachtet, Emmanuel Macron dagegen tritt für eine engere Zusammenarbeit innerhalb der EU ein und betrachtet die Briten dabei ohnehin als Bremser. Schon Johnsons Vorgänger hatten versucht, die EU-Staaten entlang dieser Front auseinander zu dividieren, und waren gescheitert. Auch Johnson Erfolgsaussichten sind daher gering. Schließlich hatte Donald Tusk schon vor Wochen deutlich gemacht: „Johnson macht den Brexit vielleicht aufregender, aber wir knicken nicht ein.“

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