Nachlass eines Strippenziehers

Der Tod des Oligarchen betrifft ein ganzes Netz an exilierten Kreml-Gegnern.

Er war wie ein Schatten-Zirkusdirektor. Einer, der von der Tribüne aus alles tat, um die Aufmerksamkeit vom Geschehen in der Manege abzulenken und auf sich zu richten. Boris Beresowski hatte in seinem Exil in London um sich geschart, was mit dem Russland der Gegenwart in Konflikt geraten war: Abtrünnige Spione, tschetschenische Rebellenführer, ukrainische wie georgische Nationalisten als diese gewillt waren, ihre pro-russischen Regierungen zu stürzen. Er gab Geld, unterstützte Revolutionen und schickte bei russischen Präsidentenwahlen seine eigenen Kandidaten ins Rennen gegen einen, den er einst selbst groß gemacht hatte: Wladimir Putin, der derzeit Deutschland besucht und Kanzlerin Angela Merkel traf. Und auch, wenn das offizielle Russland immer wieder versuchte, Beresowski als Pausenclown darzustellen – so ganz egal waren dem Kreml die Umtriebe des einst wohl mächtigsten Mannes Russlands ganz und gar nicht.

Beresowski ist tot. Was mit seinem Netzwerk passieren wird, ist aber alles andere als klar. Da ist in etwa Achmed Zakhajew, der sich selbst als Exil-Premierminister der Tschetschenischen Republik Ischkeria bezeichnet. Ein einstiger Widerstandskämpfer gegen Russland, tschetschenischer Separatist des nationalistischen Flügels und einer der Top-Verhandler mit Russland vor allem im zweiten Tschetschenien-Krieg. Seit 2002 lebt er in London im Exil – unterstützt von Beresowski, der auch seine Anwaltskosten übernahm. Da ist Anna Litwinenko, die immer wieder wortstark auftretende Witwe Alexander Litwinenkos, jenes Ex-FSB-Agenten im Londoner Exil, der unter mysteriösen Umständen mit der radioaktiven Substanz Polonium 210 ermordet worden war. Und auch in den Fall um den Leibwächter des damaligen ukrainischen Präsidenten Leonid Kuchma, Mykola Melnichenko, war Beresowski angeblich maßgeblich involviert. Über seine Internationale Foundation für zivile Freiheiten sollen jene Tonbänder transkribiert worden sein, die belegen sollen, dass Kuchma persönlich den Mord am investigativen Journalisten Georgi Gongadze im Jahr 2000 in Auftrag gab – was letztlich auch maßgeblich den Aufstand gegen das System-Kuchma 2004 motivierte: die Orange Revolution. Und auch für diese ließ Beresowski unterschiedlichen Quellen zufolge zwischen 21 und 42 Millionen Dollar springen.

Kritiker betrachteten seine Internationale Foundation für zivile Freiheiten als Vehikel, um sich zurück an die Schalthebel hinter den Kulissen des Kreml zu hieven. Dort, wo er es sich in den 90er-Jahren bequem eingerichtet und den schwer kranken Präsidenten Jelzin nach Gutdünken gelenkt hatte. Dann gab es Vorwürfe, Beresowski persönlich habe Morde in Auftrag gegeben. So jenen an Paul Klebnikow 2004, Forbes-Journalist und Autor des Buches „Der Pate des KremlBeresowski und die Plünderung Russlands“. Solche Vorwürfe hielten sich zäh.

Zugleich aber gab Beresowskis Foundation Geld für eine ganze Reihe angesehener Organisationen, die das zivile Leben Russlands und in Ex-Sowjetrepubliken wie der Ukraine oder Georgien zu beginn der 2000er-Jahre maßgeblich prägten. Geleitet wurde der Fonds von Alexander Goldfarb, bereits in der anti-sowjetischen Dissidentenbewegung ein Urgestein aus dem Umfeld Andrei Sacharows. Unter Goldfarbs Führung flossen Millionen an NGOs und Menschenrechtsorganisationen in Russland. Etwa das so oft als exzellentes Beispiel zivilen Engagements gefeierte Komitee der Soldatenmütter. Die Foundation kümmerte sich auch um Rechtsbeistand für Journalisten in Notlagen oder für Soldaten, die in Tschetschenien menschenunwürdige Befehle verweigert hatten.

Letztlich aber konnte Beresowski sein Image als dubiose Autorität nicht abschütteln. Viele – und mit der Zeit immer mehr – Organisationen lehnten Geld ab, weil sie nichts mit dem Archetyp des „russischen Oligarchen“ zu tun haben wollten. Schließlich ging Beresowski schlicht der finanzielle Atem aus.

Einmal soll er gesagt haben: „Man sagt, ich bin der Teufel persönlich.“ Und fragte: „Glauben Sie das?“

Beresowski – Der Mann, der Jelzin lenkte

Aufstieg Ende der 80er-Jahre wurde Beresowski mit dem Verkauf von Gebrauchtwagen reich. In den 90er-Jahren wurde er zum Medien-Mogul und wurde so zum Königsmacher. Sein Einfluss auf Präsident Boris Jelzin wird als enorm beschrieben, durch politische Ämter wurde er für die Justiz unantastbar.

Fall Gegen Ende der zweiten Amtszeit Jelzins dürfte sich vor allem Beresowski massiv für Putin als dessen Nachfolger eingesetzt haben. Er hielt ihn anscheinend für lenkbar. Schon knapp nach Putins Wahl kam es zum Zerwürfnis. Sein Imperium wurde zerschlagen. Im Jahr 2000 ging Beresowski ins Exil nach London.

Auf die Frage seines Fahrers, ob er denn nicht einmal Fußballer werden möchte, soll Arkadij Abramowitsch einmal geantwortet haben: „Nein, ich glaube nicht, dass ich gut genug wäre. Aber mein Vater sagt, dass er mir vielleicht Manchester United zum 18. Geburtstag schenkt.“ Es wurde nicht der andere große britische Fußballclub – denn FC Chelsea ist ja bereits in Familienbesitz. Es wurde ein 46 Millionen schwerer Einstieg ins Öl-Geschäft. Und auch das erst mit 19 Jahren. Arkadij ist der älteste Sohn von Roman Abramowitsch, Herr über ein Milliardenvermögen. In Folge der Finanzkrise war es zwischenzeitlich auf 3,3 Milliarden geschrumpft. Nach einem erfolgreichen Prozess vor einem Londoner Gericht gegen Boris Beresowski über den Wert verkaufter Aktien am einstigen Öl-Riesen Sibneft sind es jetzt wieder 19,6 Milliarden.

Arkadij Abramowitsch hat jetzt für 26 Millionen Dollar die Kontrolle über eine Holding erworben, die die Lizenz am westsibirischen Ölfeld Koltogor besitzt. 20 Millionen sollen in die Entwicklung gesteckt werden. Die dortigen Reserven in Koltogor werden auf 100 Millionen Barrel geschätzt. Ein stolzer Markteinstieg für einen jungen Herren, einen Teenager, der gerade einmal ein Praktikum bei der britischen Filiale der russischen Investmentbank VTB hinter sich hat.

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