Danach rief das Bürgerkomitee „Pro Santa Cruz“, eine Einrichtung, die es schon seit Jahrzehnten gibt, zum Generalstreik auf. Zu den Versammlungen strömten am Ende mehr als hunderttausend Menschen. Ihr Präsident ist Luis Fernando Camacho, ein erzkatholischer Anwalt und Familienvater, der in der Krise so etwas wie der Gegenspieler von Morales wurde.
Seitdem ist in
Bolivien nichts mehr, wie es war. Die extremen Kräfte beider Lager zünden Häuser an. Ein Universitätsrektor, der von Morales-Anhängern schon unmittelbar nach der Wahl verprügelt worden war, musste später mit ansehen, wie seine Unterkunft in Flammen aufging. Auch einem indigenen Gewerkschaftsführer, der Morales öffentlich Wahlbetrug vorwarf, wurde das Haus abgefackelt. Genauso brutal reagiert die Gegenseite. Gegner der aktuellen Regierung attackierten die Wohnungen und Häuser von MAS-Funktionären und Politikern, Verwandte von Morales mussten um ihr Leben bangen.
Inzwischen wird nicht nur verbrannt, sondern auch gestorben. In Cochabamba kam es zum Desaster. Ein Demonstrationszug von Koka-Bauern aus der Hochburg von Morales wollte in die Stadt ziehen, doch die Polizei baute einen Ring um die Stadt. Dann fielen Schüsse. Am Ende des Tages gab es neun Tote und heftige Vorwürfe aus den Reihen der Demonstranten. Sie werfen der Interimsregierung von Übergangspräsidentin
Jeanine Anez vor, für die Gewalt verantwortlich zu sein.
Evo Morales spricht von einem Massaker und dem Beginn einer Militärdiktatur. Ein Dekret von Anez erlaubt dem Militär, offenbar jede notwendige Maßnahme zu ergreifen, um die Ordnung im Land wieder herzustellen. Aus der
Regierung kommen Vorwürfe, die Schüsse seien aus den Reihen der Demonstranten gekommen, um die Regierung zu diskreditieren.
Versorgungsengpässe
Die Demonstranten fordern den Rücktritt von Anez und drohen damit, das Land lahmzulegen. In Santa Cruz und in La Paz sind inzwischen erste Versorgungsengpässe zu spüren, die Blockaden von Fernstraßen zeigen ihre Wirkung. Anez wirft dem Morales-Lager vor, gezielt die Städte blockieren zu wollen.
Die Übergangspräsidentin wirkt mit Amt und Aufgabe überfordert, ihr gelingt es bisher nicht, Sicherheit und Ordnung im Land wiederherzustellen, dafür trifft sie politische Entscheidungen, die eigentlich nur ein vom Volk gewähltes Staatsoberhaupt treffen kann: Sie tritt aus Staatenbündnissen aus und erkennt den venezolanische Oppositionsführer Juan Guaido als Interimspräsidenten an.
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