Blockiert und ausgehungert: Bergkarabach droht eine Katastrophe

Die Supermarktregale sind leer. Bis man an Brot kommt, vergehen Stunden. Die medizinische Versorgung ist stark eingeschränkt – Apotheken haben kaum noch Medikamente. Und die Krankenhäuser stoßen an ihre Grenzen ihrer Möglichkeiten. Für mehr als 100.000 Menschen – darunter 30.000 Kinder – in Bergkarabach ist das seit Wochen und Monaten die Realität, die Lage spitzt sich bedrohlich zu.
Im Dezember vergangenen Jahres hatten als Umweltschützer getarnte, aserbaidschanische Sicherheitskräfte die einzige Verbindungsstraße – den sogenannten Latschin-Korridor – von Armenien nach Bergkarabach blockiert. Später richtete Baku unter Verweis auf Sicherheitsgründe eine Straßensperre am Eingang der Verbindung ein, seither liegt der Verkehr dort lahm. Im Juli wurde der Latschin-Korridor vollends gesperrt. Vergangenen Dienstag soll in Bergkarabach ein 40 Jahre alter Mann aufgrund von Mangelernährung gestorben sein – er wäre der erste Hungertote in diesem Konflikt.

Brutale Kriege
Wie konnte es so weit kommen? Armenien und Aserbaidschan streiten seit dem Zerfall der Sowjetunion um die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region. Bereits zwei Kriege mit Tausenden Toten wurden um das Gebiet geführt, das die internationale Gemeinschaft als Teil Aserbaidschans betrachtet. Nach sechswöchigen schweren Gefechten mit mehr als 6.500 Toten im Jahr 2020 hatte Russland ein Waffenstillstandsabkommen vermittelt, das Armenien zur Aufgabe großer Gebiete zwang. Moskau setzte Friedenstruppen ein, der Latschin-Korridor sollte weiterhin eine Lebensader zwischen Armenien und Bergkarabach sein – Aserbaidschan verpflichtete sich dazu, die Sicherheit des Verkehrs zu garantieren.
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Tabubruch ohne Wirkung
Doch dem sollte nicht so sein: Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew wollte mehr. Selbst als sich der armenische Premier Nikol Paschinjan im Mai dazu bereit gezeigt hatte, Bergkarabach als Teil Aserbaidschans anzuerkennen – und damit ein Tabu brach – änderte sich wenig. Die Blockade war kürzlich Thema in einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats.
Dieser fordert die Öffnung des Korridors und eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Armenien und Aserbaidschan.
In den vergangenen Monaten haben internationale Bemühungen aber wenig bewirkt. Es gab bereits zwei Urteile des Internationalen Gerichtshofs mit der Anordnung an Aserbaidschan, den Korridor freizugeben. Auch Gespräche zwischen der armenischen und der aserbaidschanischen Führung – vermittelt durch die EU – besserten die Lage nicht.
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