Bildung: Woran die Schulreform zerbrechen kann

Bildung: Woran die Schulreform zerbrechen kann
Die Koalition will mit einer großen Bildungsreform aus dem Stimmungstief. Der Zeitdruck ist enorm, die Erwartungen sind hoch – doch ein Blick hinter die Kulissen verrät, ein großer Wurf wird das wohl nicht.

Am 17. November soll eine Schulreform stehen, deren Einzelteile teils seit Jahrzehnten diskutiert werden. Die Reform soll nicht weniger als ein Herzstück der Regierung Faymann/Mitterlehner werden und den Beweis liefern, dass nur eine "große" Koalition auch große Reformen schafft.

Versprochen wird eine echte Autonomie der Schulen und eine Schulverwaltungsreform, die das acht Milliarden Euro schwere System effizienter machen soll. Unterm Strich sollen bessere Leistungen der Schüler stehen – messbar in internationalen Vergleichstests wie PISA.

Nach aktuellem Stand der Verhandlungen wird die Reform jedoch kein großer Wurf werden. Derzeit sieht es eher danach aus, dass die Regierung eine Art erweiterten Schulversuch präsentieren wird, bei dem einige Schulregionen oder nur einzelne Schulstandorte tatsächlich frei entscheiden dürfen – zum Beispiel im Bezug der Personalhoheit über ihre Lehrer oder bei der Auflösung der klassischen Stundentafel hin zu projektbezogenem Unterricht. Bis zu einem Drittel der Schulstandorte kämen dafür fürs Erste infrage. Das wäre zweifellos ein Fortschritt des Bildungssystems. Aber sicher keine Totalreform.

Bildungsreformgruppe

Das mag auch an den vielen Akteuren liegen: Für die Reform verantwortlich ist Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek, aber schon lange nicht mehr allein: Verhandelt wird in der Bildungsreformgruppe. Dort sitzen je zwei Bundes-Vertreter von SPÖ und ÖVP (Heinisch und Kanzleramtsminister Ostermayer bzw. Staatssekretär Mahrer und Ministerin Mikl-Leitner) sowie die Landeshauptleute Häupl und Kaiser bzw. für die ÖVP Haslauer und Platter.

Gelingt es Heinisch-Hosek erst einmal in dieser Gruppe Konsens zu finden, ist ihr nächster Schritt, die Landeshauptleute Erwin Pröll (NÖ, ÖVP) und Hans Niessl (SPÖ, Burgenland) wieder an Bord der Reform zu holen. Diese hatten in einem spektakulären Schritt kurz vor dem Sommer ihren Rücktritt aus der Reformgruppe verkündet, weil sie mit der Richtung der Reform nicht einverstanden waren.

Aber auch Finanzminister Hans Jörg Schelling muss erst noch von der Reform überzeugt werden. Erste Berechnungen gehen von zusätzlichen Kosten von 600 bis 800 Millionen Euro aus. Schelling, so erzählen es Insider, ist aber nur bereit, mehr zu zahlen, wenn eine Schulverwaltungsreform teure und ineffiziente Doppelgleisigkeiten im System eliminiert.

Dann muss die Regierung die Grünen überzeugen, weil ein Großteil der Schulgesetze im Verfassungsrang stehen, also eine Zweidrittelmehrheit erfordern. Die kann es nur mit den Grünen geben. Grün-Bildungssprecher Harald Walser merkt an, dass er zuletzt im Juli wegen der Reform kontaktiert worden sei, seither nicht mehr. "Ich frage mich, wie sich das zeitlich ausgehen soll. Die werden doch nicht glauben, dass wir auf Knopfdruck einer Reform zustimmen werden."

Und zuletzt wartet auf das Verhandlungsteam der Regierung vielleicht die schwierigste Aufgabe: Der Konsens mit der mächtigen Lehrergewerkschaft. Diese berichtet Ähnliches wie die Grünen: Es gab Kontakte, aber bisher keine Verhandlungen.

Die Grünen haben für morgen, Dienstag, eine Sondersitzung im Parlament zur Bildungsreform urgiert, es soll ein "Weckruf" in Sachen Bildungsreform sein. Grünen-Chefin Eva Glawischnig hofft, noch einiges zum Positiven wenden zu können.

Was sind die wahren Probleme der Reformer? Natürlich geht es um Macht, auch wenn das vor allem die Länderchefs vehement dementieren. Aber wer die rund 120.000 Lehrer anstellt und bezahlt, hat das Sagen im Schulsystem. De jure liegt die Macht derzeit beim Bund, die Bildungsministerin kann den Landesschulräten, deren Präsidenten die Landeshauptleute sind, Weisungen erteilen. De facto liegt ein Großteil der Macht aber bei den Ländern. In der politischen Realität ist es kaum vorstellbar, dass Heinisch-Hosek jemandem wie etwa dem NÖ-Landeschef Erwin Pröll eine Weisung erteil.

Die Frage, wie die Schulverwaltung mit Bundes- und Landeslehrern künftig organisiert werden soll, und ob es gelingt, das Kompetenz-Wirrwarr neu zu ordnen, bleibt also auf dem Tapet und zentral.

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