Seit Joe Biden, derzeit 80 Jahre alt, seine erneute Kandidatur für das Weiße Haus angekündigt hat, bringt der Gedanke an das „worst case“-Szenario“ manche Demokraten um den Schlaf. Joe Bidens Herz ist zwar nach allem, was man von seinen Ärzten weiß, erfreulich intakt. Aber wenn es vor der Wahl in 18 Monaten aufhörte zu schlagen, wäre das nicht unnatürlich. Die Lebenserwartung in den USA liegt bei 76 Jahren.
Die Demokraten hätten. dann ein gigantisches Problem. Wer würde kurzfristig in die Bresche springen? Nach der Papierform müssen sich dann alle Augen auf Kamala Harris richten. Als Vize-Präsidentin rückt sie laut Nachfolge-Gesetz („succession act“) umgehend auf, wenn die Nr. 1 stirbt. Sollte der Commander-in-Chief durch Krankheit physisch und mental nicht mehr in der Lage ist, den Amtsgeschäften nachzugehen, regeln die Verfassung die Neubesetzung. Erste Wahl auch hier: Vizepräsidentin Harris.
Fiele auch sie aus, wäre Kevin McCarthy, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, der Mann, bei dem bis zu einer Wahl alle Fäden zusammenliefen.
Das die formale Seite. Die politische sieht anders aus. Harris dümpelt in Sachen Beliebtheit mit nur 38 % noch hinter den prekären Werten von Joe Biden. Die frühere Senatorin fremdelte lange mit ihrer Rolle, in der sie wenig eigenes Profil gewann. Sie gilt unter Demokraten als unsichere Bank.
Gegen DeSantis chancenlos
In einem Duell mit Donald Trump hätte die 58-Jährige nach Meinungsumfragen mit vier Prozentpunkten Abstand das Nachsehen. Sollte nicht Trump, sondern dessen Rivale Ron DeSantis (44) die republikanische Kandidatur erringen, könnte eine Niederlage für Harris noch deutlicher ausfallen.
Was die Frage aufwirft: Wer dann? Ein Blick ins Wahlvolk irritiert. Zwar wollen 65 % der demokratischen Wähler Biden lieber in Pension sehen. Aber 51 % konnten nicht einen einzigen Alternativ-Wunsch-Kandidaten benennen. Kamala Harris führt mit gerade 13 Prozent.
Kein Plan B
Dass sich außer Harris andere Top-Demokraten im Falle von Bidens Ableben zur Verfügung stellen würden, ist absehbar. Aber es gibt keinen „Plan B“, der öffentlich bekannt wäre. Mr. X oder Mrs. Y würde den Schritt, abseits der Klischees von Partei-Disziplin und staatspolitischer Verantwortung, auch vom Zeitpunkt abhängig machen. Je näher Bidens Tod am Wahltermin läge, desto schwieriger wäre es, eine schlagkräftige Kampagne gegen den republikanischen Mitbewerber aufzubauen.
Die gehandelten Namen sind identisch mit denen, die demonstrativ die Füße stillhalten, seit absehbar war, dass Biden wieder antritt. Aber das Feld lichtet sich. Senator Bernie Sanders etwa, bei den Vorwahlen 2020 lange Zeit Bidens ärgster Widersacher auf dem linken Parteiflügel, hat abgewunken. Der 81-Jährige war vor allem bei jungen, progressiven Wählern mit seiner sozialdemokratisch angehauchten Umverteilungspolitik beliebt.
Auch Senatorin Elizabeth Warren, 2020 ebenfalls kurzzeitig im Rennen um die Kandidatur, ihre Kollegin Amy Klobuchar und der junge Verkehrsminister Pete Buttigieg (41), dem viele eine glänzende Zukunft prophezeien, haben sich einstweilen ganz in den Dienst der „Mission Biden“ gestellt.
Bedeckt halten sich auch noch aufstrebende Kräfte aus der Riege der Gouverneure. Gretchen Whitmer (Michigan), J.B. Pritzker (Illinois), Phil Murphy (New Jersey) und Jared Polis (Colorado) werden erst dann den Sprung ganz nach oben wagen, wenn Joe Biden nicht mehr auf der Bühne steht. Das gilt auch für den umtriebigsten Aspiranten, der durch Einmischung auf internationalen Ebene seit Langem zeigt, dass ihm Kalifornien zu klein geworden ist. Gavin Newsom, der Gouverneur des bevölkerungsreichsten Bundesstaates, hält sich ohne Zweifel für präsidiabel. Er ist erst 55.
Kommentare