Besuch in Flüchtlingsklasse: Bitte lächeln, Mama Merkel!
Vergessen sind die Szenen aus Heidenau, bei denen die Menge die deutsche Kanzlerin auf Teufel komm' raus beschmipfte – zumindest für den Moment. Am Donnerstag besuchte Angela Merkel ein Erstaufnahmezentrum in Berlin-Spandau und eine "Willkommensklasse" in Kreuzberg – einem Stadtteil der Hauptstadt, in dem relativ viele Migranten leben.
Der Empfang war ebenso freundlich wie die Worte, die sie für die Projekte fand: Den Ansatz Berlins, jedem Flüchtlingskind eine Willkommensklasse zuzuweisen, nannte sie ein "sehr zukunftsweisendes Konzept". Die Kinder lernen dort schnell deutsch, die Stadt sucht derzeit fieberhaft nach Lehrern, um die vielen ankommenden Kinder auch schulisch auszubilden: 1000 Flüchtlinge kommen derzeit täglich in der deutschen Hauptstadt an.
Überlastung
Auch das Projekt des Bundesministeriums für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das Merkel zuvor besucht hatte, soll bundesweit Nachahmung finden, wenn es nach ihr geht. Das Amt ist direkt neben einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht - Flüchtlinge, die sich nach Ablauf der dreimonatigen Arbeitssperre für einen Job bewerben möchten, können dies dann gleich am Gelände tun. "Hier wird sehr akkurat gearbeitet. Dafür wollte ich danke sagen", lobte Merkel das Amt, das seinerseits allerdings über heftige Überlastung klagt: 3000 Personen sind derzeit bundesweit beim BAMF beschäftigt – 9000 würde man allerdings brauchen, um den Rückstau von 250.000 Asylanträgen zeitnah abarbeiten zu können. Ob es mehr Geld für die Behörde gibt, wird am 24. September entschieden.
In der Flüchtlingsklasse war der Widerhall logischerweise weniger kritisch. Die Kanzlerin zeigte sich beeindruckt von der Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer. „Das ist eine riesige Herausforderung“, sagte sie – aber es lohne sich schließlich auch, sich um jedes einzelne Kind zu bemühen. „Es gibt so viel Enthusiasmus bei den Kindern, so viel Bereitschaft zu lernen. Wir wollen ihnen eine gute Zukunft geben.“
Vor allem die Flüchtlinge freuten sich über den ungewöhnlichen Besuch, sie applaudierten der Kanzlerin sogar. Viele drängten sich an Merkel, um mit ihr ein Selfie zu machen. Die deutsche Kanzlerin, ungewohnt bürgernah, lächelte freundlich in die Kameras - und auch ihre Securities ließ das kalt. Die Lage in Heidenau war definitiv eine andere.
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