
© REUTERS/Denis Balibouse
Berlins US-Botschafter Grenell wird Geheimdienste in Washington leiten
Nach nicht einmal zwei Jahren an der Spree zieht es US-Botschafter Richard Grenell wieder in die Heimat.
Der 53-jĂ€hrige, der sich laut Kritikern in Berlin wie der Statthalter des amerikanischen PrĂ€sidenten auffĂŒhrte und viel diplomatisches Porzellan zerschlagen hat, wird auf Wunsch von Donald Trump kommissarisch die Stelle des obersten Geheimdienstkoordinators ĂŒbernehmen. âRick hat unser Land Ă€uĂerst gut reprĂ€sentiertâ, schrieb Trump am Mittwochabend auf Twitter, âund ich freue mich darauf, mit ihm zu arbeiten.â
Als die Nachricht zwei Stunden vorher durch die New York Times in Umlauf geraten war, hagelte es sofort Kritik von Experten, demokratischer Opposition und Publizisten.
Tenor: Statt eines ausgewiesenen Fachmanns (Grenell hat noch nie fĂŒr einen Geheimdienst gearbeitet) habe Trump eine sensible Regierungsstelle (es geht um die Koordinierung von siebzehn Geheimdiensten mit einem Jahresbudget von rund 60 Milliarden Dollar) mit einem feurigen Loyalisten besetzt.
Als solcher hatte sich Grenell nach knapper BestÀtigung von 56:42-Stimmen im Senat in der deutschen Hauptstadt vom ersten Arbeitstag am 8. Mai 2018 an erwiesen.
Einmischungen in innerdeutsche Politik
Vor allem in punkto Iran und China trieb der offen homosexuell lebende Mann aus Michigan, der vorher lange fĂŒr die USA bei den Vereinten Nationen tĂ€tig war, die Bundesregierung vor sich her und dem Vernehmen nach zuweilen auch zur WeiĂglut.
Grenell begnĂŒgte sich nie mit der traditionellen Rollen-Zuschreibung eines Botschafters, der sein Heimatland in der Fremde erklĂ€rt und so Sympathien erzeugt. Ihm ging es, so sagte im vergangenen Jahr ein europĂ€ischer Diplomat in Washington dieser Zeitung, âallein darum, die Trumpsche Agenda im Berliner Politik-Betrieb mit Hilfe von Medienauftritten und starker Internet-PrĂ€senz zu verankern und so den PrĂ€sidenten zu erfreuenâ.

30 Jahre Mauer: Merkel und Grenell
Beispiele aus jĂŒngster Zeit, bei denen Grenell oft aggressiv im Ton an vorderster Front war: Deutsche Firmen dĂŒrfen mit dem Iran keine GeschĂ€fte machen. Die russische Gas-Pipeline Nordstream 2 gehört eingestampft. Deutschland muss mehr in die Nato-Kasse einzahlen. Deutschland darf den chinesischen Netzwerk-AusrĂŒster Huawei nicht mit AuftrĂ€gen versehen.
Die Kritik an Grenells Einmischungen in innerdeutsche Politik zog sich quer durch die im Bundestag vertretenen Parteien. Vize-PrĂ€sident Wolfgang Kubicki (FDP) forderte sogar einmal, Grenell mĂŒsse von seinem Posten abberufen werden.
Hatte genug vom Botschafter-Dasein
Richard Grenell sah es auch als seine Aufgabe an, ĂŒber Berlin hinaus in Europa rechtskonservative Bewegungen und Politiker aktiv zu unterstĂŒtzen. FrĂŒh erklĂ€rte er den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz zum âRockstarâ auf der europĂ€ischen Polit-BĂŒhne. Warum jetzt der Wechsel zurĂŒck ĂŒber den Atlantik?
Was man in Regierungskreisen in Washington hört: Grenell habe schon seit einiger Zeit genug gehabt vom Botschafter-Dasein. In Berlin, wo Grenell mit Lebenspartner Matt Lashey und HĂŒndin Lola in einer Villa in Dahlem residiert, seien ihm wegen seiner âpolarisierenden Art zuletzt viele TĂŒren versperrt gewesenâ. Er habe einen anderen Posten in der Trump-Regierung angestrebt und mit dem Weggang in die Privatwirtschaft geliebĂ€ugelt.
Da traf es sich, dass Donald Trump aus gesetzlichen GrĂŒnden den derzeit kommissarischen Geheimdienstkoordinator Robert Maguire bis zum 12. MĂ€rz ersetzen muss.
Maguire, vorher Direktor des Terrorabwehrzentrums gewesen, folgte im vergangenen Sommer auf Dan Coats (76). Der langjĂ€hrige Senator aus Indiana, der unter PrĂ€sident George W. Bush von 2001 bis 2005 als US-Botschafter in Deutschland amtierte, genoss hohes Ansehen, war aber nach diversen Meinungsverschiedenheiten mit dem WeiĂem Haus ĂŒber die US-Haltung zu Russland und die AnnĂ€herungen Trumps in Richtung Nordkorea zurĂŒckgetreten.
Position war 15 Monate vakant
Danach wollte Trump, der den eigenen Diensten seit der Russland-AffÀre latent unterstellt, sie arbeiteten gegen ihn, keinen Mann mehr aus dem nachrichtendienstlichen Establishment an der Spitze der Geheimdienste.
Der texanische Kongress-Abgeordnete John Ratcliffe sollte es werden. Leider hatte der Republikaner, auch ein ausgesprochener Fan des PrÀsidenten, seine Vita wahlkampftauglich frisiert. Um der Schmach zu entgehen, dass der Senat ihn durchfallen lÀsst, sortierte Trump die Personalie kurzerhand wieder aus.
So kam Maguire an den Job. Ihm soll nun sehr kurzfristig Grenell folgen, der als Botschafter in Berlin, auf Twitter und bei regelmĂ€Ăigen Auftritten im US-Sender Fox News immer sehr genau darauf achtet, dass eine satte Portion Lob fĂŒr Trumps Regierungspolitik abfĂ€llt.
Da Grenell als Botschafter bereits vom Senat bestĂ€tigt ist, entfĂ€llt diese KontrollhĂŒrde, solange er den Posten des âDirektors der Nachrichtendiensteâ (DNI) nur geschĂ€ftsfĂŒhrend bekleidet.
Wer fĂŒr die Vereinigten Staaten kĂŒnftig in Deutschland den obersten Diplomaten-Posten langfristig ĂŒbernimmt, ist einstweilen noch unklar. Vor Grenell war die Position 15 Monate vakant. Aus Regierungskreisen heiĂt es laut New York Times, dass Grenell vorĂŒbergehend die Positionen in Washington und Berlin gleichzeitig auszufĂŒllen gedenkt. Das nennt man dann wohl Pendel-Diplomatie.
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