Schimpftiraden als Konzept
Sobald der italienische Komiker Beppe Grillo zum Mikrofon greift, gehen seine Schreiduelle los. Den Wahlkampf verwandelt er mitunter in einen Kampfschauplatz. „Wir sind im Krieg, schicken wir alle nach Hause oder gleich auf den Scheiterhaufen.“
Mit „alle“ sind die Politiker und Protagonisten der anderen Parteien gemeint. Der 64-jährige Protestpolitiker aus Genua gründete vor vier Jahren seine Fünf-Sterne-Bewegung („Movimento Cinque Stelle“). Seine Parolen verbreitete der gelernte Buchhalter und spätere Fernsehkabarettist zu Beginn ausschließlich über Internet, Twitter und YouTube. Binnen kurzer Zeit hatte der kleine Mann mit dem wirren Haar mehr als eine Million Fans online. Seine Webseite gehört zu den meistgelesenen des des Landes.
Tsunami-Tour
Neben der virtuellen Welt nutzt der Alleinunterhalter die Piazza als Bühne. Von Turin bis Palermo strömen Zehntausende zu seinen „Kampfauftritten“. Mit dem Camper reist er auf seiner „Tsunami-Tour“ durch das Land. Blinder Aktionismus und Schimpftiraden gehören zu Grillos Standardrepertoire. „Basta, basta“ und „cazzo“ sind seine beiden Lieblingswörter: Er spricht vom „Arschgesicht der Politiker“ und dem „Leck-mich-am Arsch-Tag“.
Die Liste seiner Feindbilder ist lang: Er wettert gegen die korrupte Politikerkaste, gegen die EU, die Globalisierung, die Gewerkschaften, die Justiz und gegen die Medien. Kürzlich vertrieb er barsch einen Reporter der staatlichen RAI von seiner Wahlveranstaltung: „Verschwinden Sie!“ Fernsehauftritte und Interviews verweigert der frühere TV-Star völlig. Politshows im Fernsehen, so Grillo, seien tödlich. Das Versprechen, sich kurz vor den Wahlen doch den Fragen der Journalisten zu stellen, brach er. In letzter Minute sagte er seine vereinbarten Auftritte auf Sky und La7 ab. „Grillo hat bis jetzt noch kein einziges Interview gegeben, wo er präzise auf Fragen geantwortet hätte und zu konkreten Themen und seinem Programm Stellung genommen hätte“, betont der Fernsehjournalist Enrico Mentana. Obwohl er selbst kräftig austeilt, kann Grillo offenbar keine Kritik einstecken. Wer ihn kritisiert, fliegt. Seine Führungsmethoden sind, so wird berichtet, „diktatorisch“. Dies bekamen auch zwei Mitarbeiter in Bologna zu spüren: Sie hatten es gewagt, gegen den Führungsstil ihres Chefs Einspruch zu erheben und mussten gehen.
Großer Zulauf
Mit seiner „Anti-Politik“ greift er zwar das Establishment hart an, bietet aber keine Alternative. Dennoch kann sich Grillo nicht über mangelnden Zulauf beklagen. Von der Politik Enttäuschten gefallen der Zorn und die Wut Grillos. „Ich werde ihn sicher wählen, weil er völlig anders ist als die anderen“, sagt eine junge Norditalienerin. Bisher habe sie die rechtspopulistische Lega Nord gewählt, „aber ich habe genug von allen Parteien“. Die Umfragen bestätigen: Viele, die bisher Lega wählten, geben nun Grillo ihre Stimme. Der Lega-Politiker und Bürgermeister von Verona, Flavio Tosi, ist sich der „Gefahr Grillo“ bewusst: „Unsere Wähler stimmen weder für Berlusconi noch für Bersani. Wenn sie uns nicht wieder wählen, dann bleiben sie entweder zu Hause oder stimmen für Grillo.“
Gute Chancen
Gerade unter den sehr jungen Wählern zwischen 18 und 23 Jahren gilt Grillo laut Meinungsforschern als Favorit. Die Fünf-Sterne-Bewegung könnte es auf 13 bis 16 Prozent bringen und damit auf alle Fälle klare Mehrheiten verhindern. Die Sorge der etablierten Parteien, dass es die Protestbewegung bei den Parlamentswahlen am 24. und 25. Februar zur drittstärksten Kraft schaffen könnte, ist groß. Laut Ex-Premier Silvio Berlusconi wagt sich Grillo deswegen nicht vor die TV-Kamera, weil man sonst seinen „sehr bösartigen Charakter“ entlarven würde. Eine Kritik, die Grillo nicht auf sich sitzen lässt: Berlusconi sei „mittlerweile ein pathetischer Zwerg, der unsere Ideen abkupfert“. Auch der scheidende Premier Mario Monti bekommt sein Fett ab. Er solle lieber seinen Hund ausführen, er habe schon genug Schaden in Italien angerichtet, twitterte Beppe Grillo.
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