Lukaschenkos langer Arm reicht bis nach Österreich

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Vor fünf Jahren nahmen es Hunderttausende mit dem Regime auf. Geflohene von damals spüren die Auswirkungen bis jetzt - sie werden auch im Ausland überwacht, und bei der Rückreise droht die Haft.

Damals, vor fünf Jahren, ging ihr Bild um die Welt. Marija Kolesnikowa, die Hände zum Herz geformt, daneben Switlana Tichanowskaja, die Faust nach oben gereckt, und Veronika Zepkalo mit dem Victoryzeichen. Die drei Frauen, deren Männer oder Chefs dem Langzeitautokraten Aleksandr Lukaschenko gefährlich geworden waren und deshalb in Haft landeten, wurden im Jahr 2020 zum Symbol des widerspenstigen Belarus: Hunderttausende gingen mit ihnen im August vor fünf Jahren auf die Straßen. Sie wollten den „letzten Diktator Europas“ loswerden, dessen gefälschte Wiederwahl verhindern.

Heute leben zwei der drei im Exil, und eine – Kolesnikowa – sitzt unter grausamsten Bedingungen in Haft. Sie hatte sich geweigert, das Land zu verlassen; danach hörte ihre Familie oft monatelang nichts von ihr. Zwischendurch war sie auf 45 Kilo abgemagert. „Die Lage in Belarus ist gleichbleibend schlecht, sie ist besorgniserregend“, sagt Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Belarus zählt mehr politische Gefangene als der große und nicht minder repressive Nachbar Russland; seit den Aufständen wurden knapp 7200 Personen wegen „politisch motivierter Straftaten“ verurteilt. Knapp 1200 davon sind noch in Haft, oft in Einzelzellen.

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Die Oppositionelle Kolesnikowa ist seit knapp  5 Jahren in Haft.

Keine Rückreise in die Heimat

Zwar habe das Regime zuletzt Begnadigungen durchgeführt, darunter war auch Tichanowskajas Mann Sergej. Mehr als ein Silberstreif sei das aber nicht: „Meist hat sich nur etwas bewegt, wenn ausländische Delegationen im Land waren, etwa aus den USA. Zeitgleich steigt setzt das Regime täglich neue Leute auf ihre Extremistenliste.“

Zu spüren bekommen die Repressionen auch jene, die einst vor Lukaschenkos Schergen geflohen sind. Er regiert das Land seit mittlerweile 31 Jahren diktatorisch, bei den jüngsten Scheinwahlen im Frühjahr gab er sich selbst 87,5 Prozent. Viele geflohene Kritiker von damals durften dazu aber nicht mehr einreisen – wer zurückwill, riskiert die umgehende Verhaftung.

"Jede Aktion wird gefilmt"

Das gilt selbst für jene, die lediglich ihren Pass erneuern wollen. Seit zwei Jahren ist das nicht mehr im Ausland möglich, doch weil viele Pässe nur fünf Jahre gelten, seien viele Geflohene von damals jetzt ohne Pass. „Wir hören ständig von solchen Fällen“, sagt Hashemi. Sie hofft für die Diaspora – 2.318 Personen aus Belarus leben in Österreich – auf eine Änderung der Rechtslage bei Fremdenpässen, einem Reisedokument für Nicht-Österreicher. Den bekommen derzeit nur Konventionsflüchtlinge oder wenn die Republik Österreich daran Interesse hat.

Lukaschenko Apparat spüren die Belarussen in Österreich auch, wenn sie sich engagieren wollen - etwa bei Demos gegen das Regime: "Jede Aktion wird gefilmt, alles wird dokumentiert", sagt Hashemi. Das erzeuge ein Klima der Angst. 

Hashemi hofft darum auf mehr Engagement von der neuen Außenministerin Beate Meinl-Reisinger in Sachen Belarus. Zwar habe sich viel bewegt, seit Sebastian Kurz unter massiver Kritik nach Minsk geflogen sei, aber „politisch könnte man immer mehr Druck machen.“ Den wünscht sie sich auch auf Firmen, die nach wie vor gutes Geld in Belarus verdienen – der Netzbetreiber A1 ist da das bekannteste Beispiel. „Auch Unternehmen haben eine Menschenrechtsverantwortung.“

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