Faymann und Merkel lassen Bayern abblitzen

Seehofer will zeigen, wo es langgeht
München droht Wien und Berlin. Doch die Achse der Regierungschefs hält.

Was passiert am 1. November? Diese Frage sorgt in Berlin und Wien für Unruhe: In vier Tagen laufen die mit Brüssel akkordierten Kontrollen an der Grenze zu Österreich aus – ob die Grenzen wieder geöffnet werden, ob erneut kontrolliert wird oder ob Deutschland Restriktiveres macht, ist zur Stunde nicht entschieden.

Die Zeit drängt, das weiß man auch im Berliner Kanzleramt – nicht nur, weil Bayerns CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer gestern neuerlich darauf hingewiesen hat, dass angesichts der Zustände an der Grenze etwas passieren müsse. Allein am Montag sind mehr als 11.000 Menschen dort aufgegriffen worden. Er ließ Angela Merkel und Werner Faymann deshalb wissen, dass das von Österreich praktizierte "Durchwinken der Flüchtlinge" bis Sonntag ein Ende haben müsse – sonst behalte man sich "Handlungsoptionen" vor. Seehofers Innenminister Joachim Hermann sprach von "unverantwortlichem Verhalten der österreichischen Kollegen". Auf "schnellen Durchzug" werde "geschaltet; und das können wir nicht akzeptieren".

Luftleerer Raum

Seehofers und Hermanns Ultimatum schwebt aber im luftleeren Raum, denn Bayern hat juristisch engen Handlungsspielraum. Dementsprechend unbeeindruckt gibt man sich in Berlin – zumindest nach außen hin. Merkel befand dazu lapidar, ohnehin stets mit Wien zu sprechen – und dass man "den Schalter nicht mit einem Mal umdrehen" könne.

Tatsächlich wird intern heftig darüber gestritten, wie man den Schalter zumindest ein bisschen drehen könnte. Die favorisierte Option sind die seit Langem diskutierten Transitzonen, die als Auffangbecken und Ad-hoc-Abschiebemöglichkeit an der Grenze fungieren sollen – die SPD hat sich dagegen gesperrt, jetzt aber dem Druck nachgegeben. Einen Plan, wie die Zonen errichtet werden, will man aber nicht kommunizieren: Eine Pressekonferenz, bei der Kanzleramtschef Peter Altmaier über neue Entwicklungen hätte informieren sollen, wurde kurzerhand abgesagt. Auch die Frage, ob die Zonen im Kabinett am Mittwoch beschlossen werden, wird derzeit nicht beantwortet. Der Grund dürfte sein: Ohne Merkel wird man diesen Schritt nicht verkünden wollen – sie ist bis Freitag auf Staatsbesuch in China. Am Sonntagvormittag will man sich deshalb zu einer Krisensitzung im Kanzleramt treffen.

Nicht nur Merkel lässt Bayern abblitzen. Auch Kanzler Werner Faymann richtet München aus, dass seine Gesprächspartnerin in Berlin sitze. "Meine Gesprächspartnerin ist die deutsche Bundeskanzlerin, vor deren Haltung ich sehr viel Respekt habe."

Mit Merkel sei er ständig in Kontakt, und auch sonst würde zwischen Wien und Berlin ständig auf vielen Ebenen kommuniziert.

Im übrigen mische er sich als österreichischer Kanzler "in eine innerdeutsche Debatte nicht ein".

Sehr wohl ließ sich Kanzleramtsminister Josef Ostermayer einen Kommentar zu Seehofers Aussagen entlocken. Ostermayer: "Wenn die Flüchtlinge einmal unterwegs sind, geht es nur mehr darum, zu entscheiden: Versorgt man die Menschen medizinisch und mit Nahrungsmitteln? Oder lässt man sie erfrieren? In der herausfordernden Situation müssen wir menschlich handeln."ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner urteilt trotz der offenkundigen Spannungen: "Wir haben ein gutes Verhältnis zu Bayern." Das "System der Blockabfertigung" werde beibehalten. ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz (er ist krank) kommentiert die Äußerungen aus Bayern nicht. Die Blauen wollen einen "Runden Tisch" von Regierung und Opposition zur Flüchtlingscausa.

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