Bayern: Mutmaßliche russische Spione verhaftet
Nach der Festnahme zweier Männer in Bayern, die für Russland spioniert und mögliche Anschlagsziele in Deutschland ausgekundschaftet haben sollen, müssen beide Verdächtige in U-Haft. Ein Ermittlungsrichter habe am Donnerstag auch den zweiten Haftbefehl in Vollzug gesetzt, sagte eine Sprecherin des Generalbundesanwalts in Karlsruhe. Den Angaben nach sind die beiden dringend verdächtig, in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein.
Dem Älteren von beiden, Dieter S., wird demnach auch die Verabredung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und zur Brandstiftung sowie Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und sicherheitsgefährdendes Abbilden militärischer Anlagen vorgeworfen. Dieter S. steht laut Generalbundesanwalt zudem im dringenden Verdacht, sich als Kämpfer einer bewaffneten Einheit der als ausländische terroristische Vereinigung eingestuften "Volksrepublik Donezk" angeschlossen zu haben.
Ukrainehilfe unterminieren
Den beiden Russlanddeutschen ging es nach Angaben des Generalbundesanwalts um Sabotageaktionen, die insbesondere dazu dienen sollten, "die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren". Die beiden in Russland geborenen Männer, die am Mittwoch in Bayreuth festgenommen wurden, haben den Angaben zufolge beide die deutsche und die russische Staatsbürgerschaft. Ermittler durchsuchten Wohn- und Arbeitsort der beiden in der Region Bayreuth.
Zu den ausgekundschafteten Orten gehören nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur der US-Stützpunkt Grafenwöhr sowie andere militärische Einrichtungen in Bayern. Zuerst hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet. Einige der ins Visier genommenen Objekte soll Dieter S. vor Ort ausgespäht und fotografiert haben, etwa Militärtransporte. Ein Angriff auf eines der Objekte soll aber dem Vernehmen nach nicht unmittelbar bevorgestanden haben.
Militäranlagen ausspioniert
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock ließ den russischen Botschafter in Berlin aus Protest herbeizitieren, wie aus dem Auswärtigen Amt am Donnerstag verlautete. Weitere Angaben wurden zunächst nicht gemacht. "Wir wissen, dass der russische Machtapparat auch unser Land in den Fokus nimmt", sagte der deutsche Justizminister Marco Buschmann. Auf diese Bedrohung müsse Deutschland wehrhaft und entschlossen reagieren. Innenministerin Nancy Faeser sprach von einem besonders schweren Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Russland. Sie betonte: "Wir werden die Ukraine weiter massiv unterstützen und uns nicht einschüchtern lassen."
Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte nach dem EU-Gipfel in Brüssel: "Wir können niemals hinnehmen, dass solche Spionageaktivitäten in Deutschland stattfinden." Man müsse deshalb hohe Anforderungen an die Sicherheitsbehörden stellen. Auf die Frage nach möglichen Konsequenzen sagte Scholz, es gehe vor allem darum, den Erfolg solcher Aktivitäten zu verhindern.
Die russische Botschaft in Berlin wies alle Vorwürfe zurück. "Es wurden keine Beweise vorgelegt, die von den Plänen der Festgenommenen und ihren möglichen Beziehungen zu russischen Strukturen zeugen", hieß es in einer Stellungnahme. Die Einbestellung von Botschafter Sergej Netschajew ins Außenministerium sei eine "offene Provokation, die auf das Befeuern der ohnehin schon überbordenden Spionomanie in der BRD und das Anheizen antirussischer Stimmungen" abziele, heißt es in der Erklärung.
Der Botschafter habe einen schnellen Zugang zu den Verdächtigen gefordert, sollten diese wirklich die russische Staatsbürgerschaft besitzen. "Wir haben deutlich zu verstehen gegeben, dass alle unfreundlichen Handlungen gegenüber Russland nicht unbeantwortet bleiben", heißt es weiter. In der Vergangenheit wurden bei Spionagefällen häufig Diplomaten der Gegenseite ausgewiesen. Russland antwortet in solchen Fällen stets spiegelgleich. Aufgrund des Ukrainekriegs haben beide Länder ohnehin viele Diplomaten ausgewiesen. Zudem wurden in beiden Ländern die meisten Konsulate geschlossen.
Russischer Botschafter zu Baerbock zitiert
Dieter S. steht laut dem deutschen Generalbundesanwalt zudem im dringenden Verdacht, sich als Kämpfer einer bewaffneten Einheit der als ausländische terroristische Vereinigung eingestuften "Volksrepublik Donezk" angeschlossen zu haben. Er soll zwischen Dezember 2014 und September 2016 in der Ostukraine für diese prorussische Vereinigung aktiv gewesen sein und über eine Schusswaffe verfügt haben. 2014 hatten sich moskautreue Separatisten nach dem Sturz des russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch von Kiew losgesagt. Die neue prowestliche Führung in Kiew hatte danach mit einem Militäreinsatz vergeblich versucht, die Kontrolle über Donezk und andere Ortschaften im Donbass zurückzuerlangen.
Es ist nicht der erste mutmaßliche Spionagefall, der Deutschland beschäftigt: In Berlin steht aktuell ein ehemaliger Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) vor Gericht. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm und einem Geschäftsmann Landesverrat in besonders schwerem Fall vor. Sie sollen im September und Oktober 2022 geheime Dokumente und Informationen aus dem deutschen Auslandsnachrichtendienst an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB gegeben haben. Dafür sollen sie laut Anklage einen "Agentenlohn" von 450.000 Euro beziehungsweise 400.000 Euro bekommen haben. Die beiden Deutschen sitzen in Untersuchungshaft.
Im vergangenen August war in Koblenz ein Berufssoldat festgenommen worden, der beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr arbeitete. Die Einrichtung ist zuständig für die Ausstattung der Bundeswehr mit Material und Waffen sowie die Entwicklung, Erprobung und Beschaffung von Wehrtechnik. Ab Mai 2023 soll der Mann mehrfach dem russischen Generalkonsulat in Bonn und der russischen Botschaft in Berlin eine Zusammenarbeit angeboten haben.
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