Bayern: „Gott mit ihm, dem Landesvater!“ Das war einmal ...
„Gott mit ihm, dem Bayernkönig“, heißt es in der ursprünglichen Fassung der Bayernhymne aus dem Jahr 1860. Die 3. Strophe, in der auch dem „Landesvater“ gehuldigt wird, wurde später gestrichen. Jetzt wird nur mehr „Gott mit dir, du Land der Bayern“ gesungen. Als etwas Besonderes fühlen sich die Bayern schon noch, nur die jahrzehntelange Einheit von Land, Macht und CSU geht nun verloren.
Was für ein Land der Widersprüche: Der Sozialist Kurt Eisner hat 1918 den „Freistaat Bayern“ ausgerufen, auf den auch jeder CSU-Ministerpräsident stolz ist, wobei Bayern nur eines von 16 Bundesländern ist. Schon das junge Königreich Bayern bekam 1808, vor anderen deutschen Staaten, eine Verfassung und Bürgerrechte, aber ausgerechnet München wurde mit Hitlers Machtübernahme „Hauptstadt der Bewegung“. Und das gemütliche Image von Hofbräuhaus und Trachtenanzug wird von klaren Zahlen konterkariert: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt in Bayern mit 45.810 Euro noch vor dem industriellen „Musterländle“ Baden-Württemberg.
Laptop und Lederhose
Der wirtschaftliche Erfolg Bayerns hat sehr viel mit der Politik der Christlich-Sozialen Union, aber auch ihrem Verständnis von Macht zu tun. Schon bevor Franz Josef Strauß im Jahr 1978 Ministerpräsident wurde, hatte er als Verteidigungsminister (1956–’62) und als Finanzminister der Großen Koalition (1966–’69) dafür gesorgt, dass im Freistaat ordentlich investiert wird, in Technologie, auch in die Rüstungsindustrie. Als eigenständige Partei hat die CSU im Bund ihre Macht mit mehr politischem Druck nützen können als Länderorganisationen der CDU. Den Begriff „Laptop und Lederhose“ hat Ministerpräsident Edmund Stoiber von Bundespräsident Roman Herzog abgekupfert, aber sonst ist vieles original, was zwischen dem Walserberg und Würzburg produziert wird.
Übervater Franz Josef Strauß
Das hat sehr viel mit Franz Josef Strauß zu tun, auch er ein widersprüchlicher Charakter. Er sorgte als Verteidigungsminister für die Verhaftung von SPIEGEL-Herausgeber Rudolf Augstein, verehrte diesen aber später. Er war ein Meister populistischer Sprüche, belehrte bei seinen Passauer Aschermittwochsreden aber das Bierzelt mit historischen Analysen und technischen Details von Atomkraftwerken. Und er musste zusehen, wie Helmut Kohl 1982 Kanzler wurde, während ihn die Deutschen zwei Jahre zuvor abgelehnt hatten.
Strauß und seinen Nachfolgern ist es noch gelungen, die wirtschaftlichen Erfolge des Landes mit der Macht der CSU zu synchronisieren. Die Entwicklung eines Heimatgefühls, das im Rest der Bundesrepublik als ein weniger sympathisches „Mia san mia“ empfunden wurde, hat lange funktioniert. Aber ausgerechnet Markus Söder, der als Student ein Strauß-Poster über seinem Bett hängen hatte, kann die Bayern-Stimmung nicht mehr in Stimmen ummünzen. Und schon wieder sind die Zuwanderer schuld. Nein, nicht Migranten aus Afghanistan, sondern Deutsche aus dem Norden, die von der Innovationsfähigkeit Bayerns angezogen wurden. Seit 2003 sind 1,6 Millionen Menschen aus anderen Bundesländern zugewandert, die keinerlei emotionale Bindung zur CSU haben. Markus Söder, seit Mitte März Ministerpräsident, keineswegs als Wunschkandidat von CSU-Chef Horst Seehofer, hat das übersehen und wollte mit einem Wahlkampf gegen die Migration und auch gegen Kanzlerin Merkel punkten. Als die Umfragen immer schlechter wurden, mimte er plötzlich den lieben Landesvater. Da war die Glaubwürdigkeit schon verloren.
Sollten die Prognosen wirklich stimmen und die CSU auf rund
35 Prozent absinken, dann ist das mehr als nur ein bayrisches Drama. Die CSU hat es bis zu Horst Seehofer geschafft, das Wort Volkspartei mit Leben zu erfüllen, ihre Organisation reicht in jedes Dorf. Ob weiß-blaue Illusion oder bayrische Realität: Arbeiter, Angestellte, Bauern und Unternehmer fühlten sich gleichermaßen von der CSU vertreten.
„Faschingskommandanten“
CSU ist Bayern und umgekehrt, diese Gleichung neigt sich dem Ende zu. Dass die CSU möglicherweise mit den Grünen die Macht teilen muss, ist pikant. Für Strauß waren sie „Faschingskommandanten“.
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