Ach du heiliger Barack!

Obama wurde wie ein Popstar gefeiert, bei Trump tun sich Gräben auf
Popstar und Prediger beim Kirchentag: Barack Obama leistet "Freundin Angela" Wahlkampfhilfe – seine Trump-Kritik wird bejubelt.

"Neben mir sitzt der einst mächtigste Mann der Welt", sagt der Moderator. Angela Merkel verzieht den Mund: "Na, neben Ihnen sitze erstmal ich!"

Sie muss selbst ein wenig lachen, aber irgendwie scheint der deutschen Kanzlerin bewusst, dass sie hier am Podium nur zweite Geige spielt. Die Massen, die vor dem Brandenburger Tor stehen, klatschen ihr zwar auch zu, aber als Barack Obama "First of all: Guten Tag!" sagt, wird gekreischt und gejohlt.

Popstar & Prediger

Es hat fast was Religiöses, wie er hier gefeiert wird, und das passt gut zum Anlass des Besuches. Merkel hat Obama zum evangelischen Kirchentag eingeladen; eine ökumenische Veranstaltung, die zwar immer viele Menschen anzieht, bei der aber sonst Pastorentochter Merkel den größten Glamourfaktor mitbringt. Dass Obama nicht nur als Ex-US-Präsident spricht, sondern als durch und durch Gläubiger, der seine Karriere in einer Kirche in den Armenvierteln Chicagos begonnen hat, macht das Ganze viel charmanter – nicht nur fürs Publikum, sondern auch für Merkel. Es ist Wahlkampf in Deutschland, auch am Kirchentag; und wenn Obama über "seine liebste Partnerin Angela" spricht, dann erinnert das an seine Auftritte im eigenen Wahlkampf, die oft wie afroamerikanische Gottesdienste daherkamen. Das freut sie, sichtlich: Sie grinst zu ihm rüber, scherzt.

Der Gegenpol, an dem sich beide dann abarbeiten, ist irgendwie auch Teil der Inszenierung, auch wenn ihn keiner beim Namen nennt. Wenn Obama sagt, "wir können uns nicht hinter einer Mauer verstecken!", wird frenetisch geklatscht – als hoffte man, Donald Trump könnte das bis nach Brüssel hören, wo er gerade landet. Auch Merkel wird nach dem Auftritt zum NATO-Gipfel dort eilen; sie ist aber viel vorsichtiger als Obama in ihrer Wortwahl: Sie spricht nur oft über "Demut" in der Politik und darüber, dass man "in Jahren, nicht in Monaten" denke müsse. Klar, Merkel ist noch nicht im Polit-Ausgedinge wie Obama, der sich jetzt mit einer Foundation für "eine bessere Welt" einsetzt – der Ex-Präsident nutzt seinen ersten großen Auftritt nach der Amtsübergabe auch für Eigenwerbung. Merkel hingegen steht noch mitten im Graben zwischen den zwei Gesichtern Amerikas – dem vertrauten neben ihr und dem ungewissen, das in Brüssel wartet.

Frohe Botschaften

Dass sie bei diesem Balanceakt auf Obama zählen kann, betont er darum umso öfter. Er liefert ihr Steilvorlagen, als er sagt, die USA seien "genauso eine christliche wie jüdische und muslimische Nation"; sie sagt, das sei auch in Deutschland so, ohne aber ihren streitbar gewordenen Stehsatz "Der Islam gehört zu Deutschland" zu wiederholen. Er lobt ihre Flüchtlingspolitik, worauf sie freimütig zugibt, dass sie auch Fehler gemacht habe, nur um dann für den Satz, "Millionen Menschen in Deutschland haben Mitgefühl gezeigt – und, dass man etwas bewegen kann", bejubelt zu werden. Es ist der einzige Moment, bei dem auch sie für Gänsehaut sorgt.

Ob ihr das was nützt? Ja – beim Publikum, ob gläubig oder nicht, kommt das schon an. Die "Steherqualitäten" Merkels lobt etwa Sigrid Beer aus Nordrhein-Westfalen, die als Grünen-Politikerin oft anderer Meinung sei als die Kanzlerin, ihr darum aber keinen plumpen Wahlkampf vorwerfen will, wie das andere im Vorfeld des Obama-Auftritts taten; sie sieht das eher als geschickte Strategie. Die vielen Jugendlichen, die den größten Teil der gut 70.000 Besucher stellen, sind sowieso enthusiastisch. "Mit Religion hat das für uns nichts zu tun", sagen Niklas und Inga, die als freiwillige Helfer da sind. Wegen der "Atmosphäre" und der "Persönlichkeiten" seien sie hier, sagen sie; sie meinen Merkel und Obama gleichermaßen.

Wer von beiden in der Welt die erste Geige spielt, ist aber trotz der Berliner Obama-Mania klar. Als er sagt, die "Weltordnung befindet sich an einem Scheideweg", ist sie es, die er nachdrücklich ansieht; als müsste sie jetzt den richtigen Weg weitergehen. "It’s not so easy", sagt er dann noch – und lächelt.

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