Ausschreitungen bei verbotener Kundgebung in Hongkong

Ausschreitungen bei verbotener Kundgebung in Hongkong
Demokratieaktivist Joshua Wong hatte zu neuen Protesten aufgerufen. Polizei reagierte mit Tränengas und Wasserwerfern.

Trotz eines Demonstrationsverbots ist Hongkong am Samstag erneut von gewaltsamen Protesten erschüttert worden: Demonstranten lieferten sich Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften, die Polizei setzte in mehreren Vierteln Tränengas und Wasserwerfer ein. Zu den Protesten aufgerufen hatte der Demokratieaktivist Joshua Wong.

Obwohl die Polizei die für Samstagnachmittag (Ortszeit) geplante Kundgebung untersagt hatte, gingen tausende Menschen in der chinesischen Sonderverwaltungszone auf die Straße. Viele Demonstranten trugen ungeachtet eines Vermummungsverbots Gesichtsmasken. Augenzeugen berichteten von dutzenden Festnahmen.

Wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP beobachtete, wurden rund hundert Menschen nach einem Zusammenstoß mit den Sicherheitskräften in Gewahrsam genommen und in drei Bussen abtransportiert. Ein freiwilliger medizinischer Helfer erlitt Verbrennungen am Rücken, als ihn ein Tränengaskanister traf, wie Videoaufnahmen zeigten.

Xinhua-Büro im Visier

Gewaltbereite Demonstranten warfen Benzinbomben und randalierten in Einkaufsstraßen und U-Bahn-Stationen. Zudem wurde ein Büro der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua beschädigt, die den "barbarischen Akt" verurteilte.

Zu den Demonstrationen am Samstag hatte unter anderem der bekannte Hongkonger Demokratieaktivist Wong aufgerufen, der vor wenigen Tagen von den bevorstehenden Kommunalwahlen in der chinesischen Sonderverwaltungszone ausgeschlossen worden war. Aufgrund des härteren Eingreifens der Polizei werde es in Hongkong immer schwieriger, das Recht auf Versammlungsfreiheit auszuüben, schrieb er auf Twitter. "Doch wir geben unsere verfassungsmäßigen Rechte nicht auf."

Aktivist Joshua Wong spricht von einem Polizeistaat

Joshua Wong

Die neue Protestwelle wurde ausgelöst, nachdem die chinesische Regierung am Freitag angekündigt hatte, "keine Aktivitäten" zu tolerieren, die das Land spalten oder die nationale Sicherheit gefährden würden. Peking wolle zudem "das nationale Bewusstsein und den Patriotismus" in Hongkong "durch Bildung in chinesischer Geschichte und Kultur" stärken.

Peking hat bisher keine Bereitschaft gezeigt, den Forderungen der Demonstranten nach mehr demokratischen Freiheiten und Rechenschaftspflicht der Polizei nachzukommen. "Die Regierung und die Polizei haben die Forderungen der Bevölkerung ignoriert und unterdrückt, also müssen wir die Bewegung fortsetzen, um ihnen zu zeigen, dass wir immer noch wollen, was wir verlangen", sagte der 18-jährige unmaskierte Demonstrant Gordon Tsoi.

Auch verbal haben die Attacken zwischen Polizei und Demonstranten zugenommen: In einem Video vom Samstag sind Beamte zu hören, die Demonstranten als "Kakerlaken" und "Untermenschen" beschimpfen. Demonstranten nennen die Polizei häufig "Triaden", nach den chinesischen Vereinigungen im Bereich der organisierten Kriminalität.

Proteste dauern an

Die frühere britische Kronkolonie Hongkong wird seit rund fünf Monaten von teils gewaltsamen Protesten erschüttert. Die Demonstrationen in der Finanzmetropole hatten sich anfänglich gegen ein geplantes Gesetz gerichtet, das Auslieferungen von Verdächtigen an Festland-China ermöglichen sollte. Mittlerweile richten sie sich generell gegen die pekingtreue Führung in Hongkong und die Einschränkung demokratischer Freiheiten.

Die Demonstranten zogen zunächst durch das Einkaufsviertel Causeway Bay zum Victoria Park, der zum traditionellen Veranstaltungsort für Proteste und Mahnwachen der Demokratiebewegung geworden ist. Bereits dabei errichteten einige Aktivisten mit Metall-Absperrungen Straßenbarrikaden.

Es wurden die britische und die amerikanische Nationalhymne gesungen, Rufe nach Unabhängigkeit wurden laut. "Menschen von Hongkong widersetzt euch", schallte es aus der Menge. "Die Revolution unserer Zeit." Die Polizei feuerte hier schon bald Tränengas ab, um die von den Behörden verbotene Kundgebung möglichst rasch aufzulösen, die von den Organisatoren im Vorfeld als "Notruf" für Autonomie für ehemalige britische Kronkolonie bezeichnet worden war.

Danach zerstreuten sich die Demonstranten in mehrere Richtungen, viele zogen ins Stadtzentrum weiter. Dort eskalierten dann die Lage, während es andernorts zu friedlichen Protesten kam. Demonstranten warfen Brandbomben und Steine vor dem Sitz der britischen Großbank HSBC und der Zentralvertretung der Bank von China. Auch hier feuerte die Polizei mit Tränengas. Bei der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua wurden Fenster eingeworfen. "Einige maskierte Randalierer haben Geschäfte zerstört und Brandstiftungen verübt", teilte die Polizei mit. Auch im Hotel- und Einkaufsviertel Tsim She Tsui am Hafen versammelten sich zahlreiche Demonstranten. Zu Protesten kam es zudem auf einer Fähre und vor einer Moschee.

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