Aufstieg und Niedergang der Assads

Aufstieg und Niedergang der Assads
Noch stemmt sich Assad gegen seinen Rücktritt, aber die von seinem Vater begründete Dynastie liegt nach 16 Monaten Aufstand in den letzten Zügen.

Eigentlich wäre Hafez al-Assad gerne Arzt geworden, doch er stammte aus einfachen Verhältnissen. Seine Familie konnte sich das Studium nicht leisten. Und so trat der ehrgeizige junge Mann aus Kar­daha 1951 in die Militärakademie ein. Eine schicksalhafte Entscheidung für den 21-Jährigen und für das ganze Land. Denn Hafez al-Assad ließ sich zum Piloten ausbilden, machte eine steile Karriere in der Armee und putschte sich 1970 an die Macht – er legte damit den Grundstein einer Dynastie.

Eigentlich wäre auch Bashar al-Assad gerne Arzt geworden. Als Sohn des nationalen Heroen war es für ihn kein Problem, sich in den 80er-Jahren am Londoner Western Eye Hospital zum Augenarzt ausbilden zu lassen. Doch dann raste sein älterer Bruder, der vorgesehene Thronfolger Basil, mit seinem Mercedes in den Tod. Dieser 21. Jänner 1994 war ein schicksalhafter Tag für Bashar. Der 29-Jährige musste nach Syrien heimkehren, erhielt einen Schnellsiedekurs an der Militärakademie und wurde nach dem Tod seines Vaters im Juni 2000 Präsident. Jetzt ist Bashar gerade dabei, die A­ssad-Dynastie nach mehr als 40 Jahren in den Untergang zu manövrieren.

"Löwe von Damaskus"

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Bashar, der Staatschef wider Willen, tat sich von Anfang an schwer, in die Fußstampfen seines Vaters zu treten. Hafez, der "Löwe von Damaskus", so die arabische Bedeutung von Assad, war ein extrem machtbewusster Mann. Er baute auf die Familie, deren Mitglieder er in Toppositionen in Staat, Militär und Wirtschaft hievte; auf die Armee und ein Geflecht von Geheimdiensten, die er mit Privilegien bei der Stange hielt; und nicht zuletzt auf die religiöse Minderheit der Alawiten, der er selbst entstammte. Obwohl sie nur zwölf Prozent der Bevölkerung ausmachen, dominieren die Alawiten die öffentlichen Ämter in Syrien.

Widerspruch duldete Hafez al-Assad, der sich als linker arabischer Nationalist stark an Moskau orientierte und mit seiner Machtpolitik die Nachbarn verschreckte, nicht. Kritiker verschwanden auf Nimmerwiedersehen, der Unterdrückungsapparat lief wie geschmiert. Vor allem Islamisten wurden gnadenlos verfolgt. Die Mitgliedschaft bei den Muslimbrüder ließ er unter Todesstrafe stellen.

Als die Religiösen 1982 in Hama einen Aufstand wagten, ließ er die Stadt in Schutt und Asche legen. Bei den Angriffen der Spezialkräfte unter dem Präsidentenbruder Rifaat al-Assad sollen bis zu 30.000 Menschen getötet worden sein. Ihre Leichen wurden nie gezählt. Das Massaker von Hama haben noch viele im Kopf, die heute gegen das Regime kämpfen.

Aber auch Rifaat bekam später die harte Hand des Diktators zu spüren. Als seine Anhänger 1983 einen Putsch versuchten, wurden sie brutal niedergekämpft – und der Staatschef zwang seinen eigenen Bruder ins Exil.

Diese Härte zeigte Bashar nicht, als er nach einer maßgeschneiderten Verfassungsänderung mit erst 34 Jahren Präsident wurde. Im Gegenteil – anfangs gefiel er sich in der Rolle des sanften und weltoffenen Reformers. Er und seine in London geborene Frau A­sma, mit der er drei Kinder hat, weckten Hoffnungen auf einen "Damaszener Frühling". Politische Häftlinge wurden entlassen, Intellektuelle duften frei debattieren, das Internet wurde freigegeben. Doch schon nach wenigen Monaten folgte die Enttäuschung. Wenn es um Bestand und Besitzstände des Regimes ging, wollte auch Bashar kein Risiko eingehen.

Familienbande

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Anders als sein Vater, der ein gelernter Berufsoffizier war, musste sich Bashar in militärischen Fragen weit stärker auf Ratgeber stützen, die oft die eigenen Vorteile im Blick hatten. Aber in erster Linie vertraute auch er der Familie. Sein Bruder Maher kommandiert bis heute sowohl die Präsidentengarde als auch die vierte Panzerdivision des Heeres, die als Elite-Einheit gilt. Der 44-jährige Maher ist extrem gewalttätig und aufbrausend. Im Streit soll er 1999 seinem Schwager Assaf Shawkat in den Bauch geschossen haben. Shawkat zog als langjähriger Chef des Militärgeheimdienstes und späterer Spitzenoffizier alle Fäden in Sicherheitsfragen. Am Mittwoch starb der Mann von Bashars Schwester Bushra bei dem aufsehenerregenden Bombenanschlag in Damaskus. Bashars Cousin Rami Makhluf ist der reichste Mann des Landes und in den Augen der Opposition die Symbolfigur der alles durchdringenden Clan-Korruption.

Als im Vorjahr in Tunesien der Arabische Frühling ausbrach, zeigte sich Bashar al-Assad anfangs noch verständnisvoll und sprach von der Notwendigkeit demokratischer Reformen. Doch als im eigenen Land die Menschen auf die Straßen gingen, schickte er seine Killermilizen und Soldaten los. Mehr als 17.000 Tote hat der Konflikt seither gekostet.

Ob der junge Präsident ein Getriebener der alten Kader war oder selbst entschied, spielt letztlich keine Rolle mehr. Er hat die Zeichen an der Wand nicht erkannt und zeigte sich der größten Bewährungsprobe seiner Herrschaft menschlich und politisch nicht gewachsen.

Fluchtwelle trifft Syriens Nachbarn

Seit dem Bombenanschlag in Damaskus, der die militärische Spitze des Regimes ausgelöscht hat, eskalieren nicht nur die Kämpfe – auch der Flüchtlingsstrom ist sprunghaft angestiegen: Am Grenzübergang Masnaa zum Libanon, nur 50 Kilometer westlich von Damaskus, stauen sich die Kolonnen. Aktivisten schätzen, dass bereits 60.000 Syrer im Libanon Schutz suchen. In der Türkei sind derzeit 43.000 Flüchtlinge registriert. Die Endzeitstimmung in Syrien zieht die Nachbarn immer stärker in Mitleidenschaft.

Iraks Premier Nuri al-Maliki hat die UNO um Hilfe ersucht. Sein Land sehe sich außer Stande, Flüchtlingslager im Wüstengebiet an der Grenze einzurichten. Zugleich bat er um Schutz für die bis zu 200.000 irakischen Flüchtlinge in Syrien, die zunehmend Überfällen krimineller Banden ausgesetzt seien.

Israels Verteidigungsminister Ehud Barak schloss ein militärisches Eingreifen im Nachbarland nicht aus. Für den Fall, dass chemische Waffen und Raketen an die libanesische Hisbollah-Miliz weitergegeben würden, bereite sich die Armee auf einen Einsatz vor. Nach Angaben eines syrischen Generals, der in die Türkei geflohen ist, bereitet die Armee den Einsatz von Chemiewaffen vor: "Das Regime kann nicht stürzen, ohne ein Blutbad anzurichten."

In Damaskus, Homs und der Wirtschaftsmetropole Aleppo versuchten die neu formierten Regierungstruppen, verlorenes Terrain unter Einsatz schwerer Waffen zurück zu gewinnen. Es ist eine massive Gegenoffensive, mit der sie auch Erfolge erzielen. Allerdings strömen immer mehr bewaffnete Oppositionelle aus dem ganzen Land in die großen Kampfgebiete.

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