Deutschland: Werbetour von Erdoğans Premier sorgt für Polit-Krach

Recep Tayyip Erdogan und Binali Yildirim
Auftritt von Binali Yildirim im Ruhrpott und Spionageverdacht bei Imamen setzen Merkel unter Druck.

Ein Blasmusikfestival, ein Auftritt des Rappers Drake, danach Disney on Ice: Im Programm der Arena Oberhausen findet sich kein Hinweis auf die Veranstaltung, die derzeit in Deutschland für so viel Zores sorgt. Allein, Polizei und Behörden im Ruhrgebiet sind vorgewarnt: 10.000 Besucher werden am Samstag erwartet, wenn der türkische Premier Binali Yildirim dort auftritt, um für Recep Tayyip Erdoğans umstrittenes Verfassungsreferendum die Werbetrommel zu rühren. Das wird in Deutschland nämlich mitentschieden: Von den drei Millionen Türkischstämmigen im Land darf die Hälfte am 16. April abstimmen.

Spitzel-Affäre

Freilich ist das nicht der erste Auftritt eines türkischen Politikers in Deutschland, der nicht mit der Bundesregierung akkordiert ist. Aber Inhalt und Zeitpunkt sind heikler als je zuvor: Nicht nur, dass es ohnehin massive Kritik an dem geplanten Präsidialsystem gibt, das Erdoğan deutlich mehr Rechte zubilligt als bisher. Man fürchtet auch, dass sein Einfluss in Deutschland weiter wächst: Erst am Mittwoch gab es Razzien bei vier Imamen des halbstaatlichen türkischen Vereins DITIB. Sie sollen im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Diyanet Anhänger der Gülen-Bewegung, die von Erdoğan für den gescheiterten Putschversuch vom Sommer verantwortlich gemacht wird, ausgespäht haben. Ein Vorwurf, der große Ähnlichkeit mit den Anschuldigungen hat, die der Grüne Peter Pilz gegen den österreichischen Verband ATIB erhoben hat – in Deutschland war es Grünen-Politiker Volker Beck, der die Sache ins Rollen brachte.

DITIB, übrigens der größte muslimische Verband des Landes, hat sich zu der Causa bis dato nicht erklärt. Das hat Erdoğans Partei AKP übernommen. Sie wetterte in Ankara gegen die "beispiellose Einschüchterungskampagne" in Deutschland; Worte, die man wohl auch am Samstag in Oberhausen hören wird. Gerade deshalb sieht die Opposition die Veranstaltung in Oberhausen auch so kritisch. "Yildirims Werbefeldzug für eine Diktatur in der Türkei sollte unbedingt unterbunden werden", forderte Linken-Politikerin Sevim Dagdelen. Grünen-Chef Cem Özdemir, ebenso wie Dagdelen türkischstämmig, sprach von einem "Wahlkampf für einen Staat von Erdoğans Gnaden"."

Bei den Regierungsparteien gab man sich moderater – im Kanzleramt hieß es nur, man wolle nicht, "dass die innenpolitischen Auseinandersetzungen aus der Türkei nach Deutschland getragen werden." So viel Zurückhaltung kommt nicht von ungefähr, schließlich ist auch Kanzlerin Merkels Umgang mit Erdoğan seit dem Flüchtlingsabkommen von besonderer Vorsicht geprägt.

"Das ist oberfaul"

Volker Beck, der die Anzeige gegen die Imame schon im Dezember gestellt hat, ärgert das doppelt. Für ihn kamen die Razzien zu spät – Involvierte hätten die Chance gehabt, das Land zu verlassen. "Das ist doch alles oberfaul", twitterte er. Die Bundesregierung nutzte bei DITIB-Spionage nicht ihre Möglichkeiten, "sie mauert und mauert." In Österreich werden die Vorwürfe gegen ATIB übrigens vom Staatsanwalt geprüft – ein Auftritt eines türkischen Regierungsmitglieds ist nicht in Planung.

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