EU genehmigt 42-Milliarden-Euro-Paket für Polens erstes Atomkraftwerk
Zusammenfassung
- Die EU-Kommission genehmigt ein 42-Milliarden-Euro-Beihilfepaket für Polens erstes Atomkraftwerk, das bis 2036 an der Ostseeküste entstehen soll.
- Das Projekt umfasst drei Reaktoren mit insgesamt 3.750 MW, wird von Polskie Elektrownie Jądrowe betrieben und nutzt Technologie von Westinghouse Electric.
- Die Finanzierung erfolgt durch eine Mischung aus Eigenkapital und Staatsgarantien, mit strengen EU-Auflagen wie einem 40-jährigen Differenzvertrag und Marktregeln.
Die Europäische Kommission hat nach einer eingehenden Prüfung den Weg für Polens ambitioniertesten Energieschritt frei gemacht. Brüssel genehmigte das staatliche Beihilfepaket für den Bau und Betrieb des ersten Kernkraftwerks des Landes. Das Projekt, dessen Gesamtkosten auf gewaltige 42 Milliarden Euro geschätzt werden, ist der Eckpfeiler der polnischen Strategie, um sich von der Kohleabhängigkeit zu lösen.
Das Kraftwerk soll an der Ostseeküste in den Gemeinden Lubiatowo-Kopalino entstehen und wird von der staatlichen Gesellschaft Polskie Elektrownie Jądrowe (PEJ) betrieben. Als Technologiepartner wurde der US-Konzern Westinghouse Electric ausgewählt.
Atomkraft hatte weltweit seinen Höhepunkt in den späten 1990er-Jahren. Zuletzt hatte vor allem das in Bau befindliche britische AKW Hinkley Point C für Wirbel gesorgt: Demnach soll der erste Reaktor frühestens zwischen 2029 und 2031 ans Netz gehen. Die Ausgaben, die beim Baubeginn 2016 noch auf 20,6 Milliarden Euro geschätzt wurden, steigen demnach - berücksichtigt man die Inflation - auf bis zu 52,6 Milliarden Euro.
Drei Reaktoren und ein straffer Zeitplan
Das Projekt umfasst den Bau von drei Reaktoren mit einer Gesamtkapazität von bis zu 3.750 Megawatt (MW) – jeder Block leistet 1.250 MW. Der Zeitplan bleibt sportlich: Der Bau soll 2028 beginnen, die Inbetriebnahme ist für die zweite Hälfte der 2030er Jahre (ca. 2036) vorgesehen.
„Wir werden in Kürze die offizielle Bestätigung erhalten“, hatte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk bereits angekündigt und betont, dass die Zustimmung aus Brüssel die „notwendige Bedingung“ für den Start des Programms sei.
Die Finanzierung: Mix aus Eigenkapital und Garantien
Die gesamten Investitionsausgaben (CAPEX) werden auf rund 42 Milliarden Euro (178 Milliarden Zloty) veranschlagt. Um diese Summe zu stemmen, genehmigte die EU eine komplexe Finanzstruktur:
- Eigenkapitalspritze: Der polnische Staat übernimmt ca. 30 % der Kosten direkt. Dies entspricht in etwa den von Tusk erwähnten 60 Milliarden Zloty (ca. 14 Mrd. Euro), die bereits gesichert sind. Eine erste Tranche von umgerechnet rund 1,1 Milliarden Euro soll noch diesen Dezember fließen.
- Staatsgarantien: Für die restlichen 70 %, die über Kredite finanziert werden, bürgt der Staat zu 100 %.
Die Genehmigung der EU-Kommission war an harte Bedingungen geknüpft, um den Wettbewerb im europäischen Strommarkt nicht zu verzerren. Im Zentrum steht ein sogenannter zweiseitiger Differenzvertrag (Contract for Difference, CfD) mit einer Laufzeit von 40 Jahren.
- Preismechanismus: Fällt der Marktpreis unter einen festgelegten „Ausübungspreis“ (Strike Price), zahlt der Staat die Differenz an den Betreiber PEJ. Steigt der Marktpreis darüber, muss PEJ die Gewinne an den Staat abführen.
- Wettbewerbsklausel: Um zu verhindern, dass der Atomstrom den Markt monopolisiert, muss PEJ mindestens 70 % der jährlichen Stromproduktion über die offene Strombörse verkaufen (Day-Ahead-, Intraday- und Terminmärkte).
- Gewinnbremse: Sollte das Kraftwerk übermäßige Gewinne abwerfen, greift ein Kontrollmechanismus, der diese Überschüsse an den Staat zurückführt.
Strategische Bedeutung und „kostenlose Energie“
Die polnische Regierung argumentiert, dass das Kraftwerk die Strompreise langfristig stabilisieren wird. Der stellvertretende Energieminister Wojciech Wrochna zeigte sich optimistisch: „Das Kraftwerk wird die polnischen Verbraucher und die Industrie zu einem relativ niedrigen Preis versorgen.“
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