Realität "noch spannender als Hollywood"
Das Ende sieht nach billiger Action aus. Iranische Revolutionswächter jagen der Swiss-Air-Maschine auf der Piste des Teheraner Flughafens nach und holen sie beinahe ein, als der Jet abhebt und seine Passagiere, inklusive sechs US-Diplomaten und einem CIA-Agenten, in Sicherheit bringt. Doch alles ist wahr. Die Geschichte hinter dem Hollywood-Blockbuster „Argo“, der für sieben Oscars nominiert wurde, sei sogar noch spannender gewesen, erinnert sich Tony Mendez, der echte US-Geheimdienstagent, der damals selbst in der Maschine saß. „Mein Lieblingsteil im Film ist, als das Flugzeug abhebt“, sagt Mendez. „Ich habe das alles durchgemacht, und das im Film nochmals zu sehen – das ist ziemlich gut.“
Wovor Mendez, der Agent, damals allerdings noch größere Angst hatte als vor den Revolutionsgarden am Boden, waren die iranischen Militärflugzeuge. „Auch wenn wir schon in der Luft waren, hätten sie uns wieder herunterholen können“, erzählt der heute 72-Jährige.
Geiselnahme
Lange Zeit war diese Geschichte unbekannt. Erst in den 1990er-Jahren entschied der damalige US-Präsident Bill Clinton, die CIA-Geheimakte über die abenteuerliche Befreiungsaktion der amerikanischen Diplomaten während der islamischen Revolution im Iran für die Öffentlichkeit freizugeben. Militante Demonstranten hatten im November 1979 die US-Botschaft in Teheran gestürmt und an die 70 Diplomaten als Geiseln genommen.
Aber nicht alle. Vier Männer und zwei Frauen konnten im allgemeinen Durcheinander während der Erstürmung in die kanadische Botschaft flüchten. Mendez holte sie nach mehreren Wochen mit einem Trick heraus. Er erfand eine Geschichte, mit der er die iranischen Behörden hinters Licht führte: Den sechs amerikanischen Diplomaten verschaffte er eine falsche Identität. Filmemacher aus Kanada seien sie, die nach Teheran gekommen waren, um nach einem geeigneten Drehort für ihr neues Projekt „Argo“ zu suchen.
Aus dieser Geschichte entstand dann der Film. Hollywood-Star Ben Affleck übernahm die Regie und auch die Hauptrolle des CIA-Agenten Tony Mendez.
Doppelleben
Anders als sein glamouröses Hollywood-Double Affleck ist der wahre CIA-Agent ein kleiner unauffälliger Mann mit weißem Bart und großer Brille. Unlängst saß er ein wenig verloren in einer Ecke der schicken Lounge Bar L2 in der Hauptstadt Washington. Schwarzes T-Shirt, schwarze Lederjacke, Jeans. Um ihn herum plauschten Diplomaten mit Ex-Geheimdienstlern, Cocktailgläser in der Hand.
Die österreichische Botschaft hatte gemeinsam mit dem Washingtoner Spionagemuseum zu einem bunten Abend geladen. Thema: Natürlich „Der dritte Mann“, Orson Welles Geheimdienstklassiker über Wien zu Beginn des Kalten Krieges. Mendez hat das Spionagemuseum mitgegründet.
Er ist ein typischer CIA-Agent, ein Mann mit einem doppelten Leben. Landschaftsmaler war sein Beruf, bevor er zum Geheimdienst ging, und nun malt er wieder bei sich zu Hause in den Blue- Ridge-Bergen im Westen von Maryland.
Angeworben
Mendez hat bildende Künste studiert – kein guter Beruf, um zu überleben, erzählt er. Dann sah er eines Tages dieses Inserat: Die US-Marine sucht Künstler für Jobs im Ausland.
„Das Inserat verriet nichts Genaues über die Arbeit, aber ein Künstler hat immer Hunger, also meldete ich mich.“ Man lud ihn zum Vorstellungsgespräch ein, der Ort war etwas merkwürdig – ein Motel-Zimmer am Rand von Denver. Sein Gesprächspartner gab gleich zu, dass er vom US-Geheimdienst sei. Man suchte Urkundenfälscher anzustellen.
Als Künstler aufzutreten, sei eine gute Tarnung gewesen. „Ich konnte meine Wasserfarben für eine Geheimmission einpacken und hatte gleich eine gute Erklärung, wieso ich all die Werkzeuge im Koffer mit mir herumschleppte“, erinnert sich Mendez.
25 Jahre arbeitete er beim Geheimdienst CIA und war auch Abteilungsleiter des Büros für falsche Identitäten.
Das Schwierigste am Fall „Argo“ war, die Vorgesetzten zu überzeugen, seinen Plan zu unterstützen. „Das Problem war, dass sich niemand auf irgendetwas einigen konnte. Da Kanada die sechs versteckt hatte, gab es viele Ausschüsse, der Geheimdienst überwachte den Fall, und das Weiße Haus war auch involviert. Meine Aufgabe war, eine Idee zu präsentieren, der alle zustimmen würden. Es war eine unmögliche Aufgabe, also schlug ich etwas wirklich Verrücktes vor“, sagte Mendez. So kam er auf die Idee, die sechs Amerikaner als kanadische Filmemacher zu präsentieren – ein Stoff, wie geschaffen für Hollywood.
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