Wie TV-Sender Flüchtlingen das Land erklären
Wer Constantin Schreiber am TV-Schirm sieht, findet nichts ungewöhnlich an ihm. Hellbraunes Haar, blaue Augen, adrett gekleidet – der Mann, der hier Flüchtlinge befragt, wirkt wie viele andere Moderatoren im deutschen Fernsehen. Nicht ins Bild passen will nur, dass der 36-Jährige auf Arabisch zu den Zusehern spricht.
Schreiber moderiert seit Kurzem auf n-tv die deutsch-arabische Sendung "Marhaba". "Ankommen in Deutschland" ist der Untertitel der Sendung, die Flüchtlingen näherbringt, wie Deutschland funktioniert. Weil sie im Internet zu einem Selbstläufer geworden war, hat der Sender sie jetzt ins reguläre Programm gehievt. "Die Klickzahlen waren enorm", sagt Schreiber im Gespräch mit dem KURIER – seine Freude ist es auch.
Erst seit Herbst produziert der Berliner die Sendung. Den Ausschlag dafür gab ein Erlebnis während seiner Elternzeit: "Ich fand es bizarr, dass Politiker in Talkshows fordern, dass die Flüchtlinge das Grundgesetz befolgen müssen. Aber die Menschen, über die sie da reden, bekommen das ja nicht mit."
Nichts Oberlehrerhaftes
Schreiber wollte deshalb eine Sendung von und mit Flüchtlingen machen – aber "nichts Belehrendes", wie er sagt. Er lässt deshalb andere erklären, was Deutschland ausmacht – Flüchtlinge, Migranten, deutsche Politiker. Sie fragt er, "wie die Bürokratie in Deutschland funktioniert oder was Hausmannskost und Reinheitsgebot sind".
Damit es für alle zugänglich ist, wird das Ganze untertitelt – arabisch oder deutsch, je nachdem. Auch polarisierenden Themen hat er bewusst Platz eingeräumt – "etwa, wieso Männer und Frauen die gleichen Rechte haben oder warum Witze über den Koran erlaubt sein müssen."
Auch bei anderen Sendern versucht man sich an solchen Annäherungen. Die Deutsche Welle etwa hat das Online-Portal "Erste Schritte" auf die Beine gestellt; Komplexe Fragen wie "Wie komme ich im Alltag zurecht" oder "Wem droht die Abschiebung?" werden hier simpel beantwortet – in fünf verschiedenen Sprachen, wofür der Sender viel Lob bekommen hat. Anders war die Reaktion auf eine Kampagne des Bayerischen Rundfunks – er hat sich dem Thema ein wenig uneleganter gewidmet und die schwierige Frage der Integration anhand von Comics zu klären versucht. Das Ergebnis sorgte bei Deutschen wie Zugewanderten für Lacher: Auf den Bildern wird etwa geraten, sich nicht gegenseitig auf die Nase zu hauen – oder Frauen nicht den Po zu tätscheln.
Gratwanderung
Schreiber weiß, dass die Wertevermittlung mitunter zur Gratwanderung werden kann. "Ein bisschen Verallgemeinerung gehört natürlich dazu", sagt er, "aber man muss aufpassen, keine Stereotype zu bedienen." Ihm helfe, dass er selbst lange in Syrien gelebt und dort auch gearbeitet habe. Zudem orientiert er sich an Rückmeldungen, die er aus dem arabischen Raum bekommt. "Die Zugriffe sind auch im Nahen Osten sehr hoch", sagt er.
Was er von dort höre, sei durchwegs positiv; in Deutschland aber wird seine Sendung auch kritisch wahrgenommen. "Es gibt viele, die sich freuen, dass jemand so etwas macht – andererseits bekomme ich auch viel Hetze zu hören, darunter auch echt Hässliches", sagt er. Angst will er sich davon aber nicht machen lassen: "Es ist Zeit zu reden – auf beiden Seiten. Deshalb mache ich die Sendung ja."
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