249 Fensterbordelle gibt es in De Wallen, in Amsterdams berühmtem Rotlichtviertel. Und hunderte Frauen, die ihre Dienste dort anbieten, und das ist seit vielen Jahren so: Schon im Mittelalter verdingten sich Frauen dort, indem sie ihre Körper verkauften.
Damit soll nun bald Schluss sein. Die Stadt will ihr schmuddeliges Party-Image loswerden, denn für die nur 880.000 Einwohner seien 18 Millionen Touristen pro Jahr zu viel: Horden von Sauftouristen lassen die Bewohner von De Wallen nicht nur nicht schlafen, sondern vermüllen auch große Teile der Stadt, so das Argument.
"Dieser Teil der Stadt droht unbewohnbar zu werden"
Dazu kämen Straßendealer, die wiederum für Kriminalität und damit für eine Atmosphäre der Unsicherheit sorgten. „Dieser Teil der Stadt droht unbewohnbar zu werden“, sagte die grüne Bürgermeisterin Amsterdams, Femke Halsema, unlängst.
In dem mittelalterlichen Viertel, das hauptsächlich aus engen Gässlein besteht, gebe es zudem ein Gesundheitsproblem, sagt sie. Dort drängen sich so viele Menschen, dass Einsatzkräfte bei Notfällen schlicht nicht durchkommen. Vergangenes Jahr bildete sich darum eine Art Bürgerwehr, die „Wallen Watch“, die betrunkene und bekiffte Touristen aus Hauseingängen scheuchte.
Bürgerwehr
Die ersten Schritte zu einem anderen Amsterdam werden bereits an diesem Wochenende gesetzt. Die Damen in den berühmten Fenstern müssen dann schon um 3 Uhr nachts statt um 6 die Vorhänge ganz zuziehen, Bars müssen sogar schon eine Stunde früher schließen. Ab Mitte Mai ist es zudem verboten, Cannabis in der Öffentlichkeit zu rauchen – man wolle die „Zombie-Touristen mit den glasigen Augen“ loswerden, wie es ein Lokalpolitiker formulierte. Im Stadtparlament votierten alle Parteien für die Verschärfungen.
Erotik-Center
Nur: Dass die Damen auf lange Sicht in ein neu gebautes Erotik-Center auswandern sollen, passt wiederum auch nicht allen. Geplant wäre der Bau eines Hochhauses, in dem etwa 100 Prostituierte ihrer Arbeit nachgehen können, auch Lokale, Clubs und Theater sollen darin untergebracht werden. Aber schon jetzt machen die Prostituierten dagegen mobil: Gut 200 zogen vor einigen Tagen zum Rathaus und überreichten Bürgermeisterin Halsema eine Petition und forderten: „Hände weg von De Wallen.“
Noch ist nicht klar, wo das Gebäude stehen soll, doch bereits jetzt ist die Rede von einem „Mega-Bordell“. Drei mögliche Standorte stehen zur Auswahl – im Norden und im schicken Süden der Stadt, gleich beim Finanzdistrikt. Doch überall ist der Widerstand groß. Die Anrainer befürchten, dass sich das Problem von De Wallen nur verlagert und grölende Party-Touristen und aggressive Straßendealer gleich mitumziehen werden.
Entsetzte Anrainer
„Dann wird unser schönes Viertel überrannt von sexgierigen Fremdgehern“, ereiferte sich der 48 Jahre alte Marcel bei einer Protestversammlung. „Muss meine elfjährige Tochter neben dem größten Bordell Europas aufwachsen?“, fragte eine Frau entsetzt.
Einen ungewöhnlichen Verbündeten haben die Anrainer in der EU-Arzneimittelbehörde EMA. Sie hatte erst vor wenigen Jahren im Süden der Stadt ihr neues Domizil bezogen, nur wenige hundert Meter von zwei möglichen Standorten des künftigen „Mega-Bordells“. Völlig entsetzt schaltete die EMA die EU-Kommission in Brüssel ein und bat darum, auf Amsterdams Bürgermeisterin einzuwirken. Die EMA befürchtet „Drogenhandel, Trunkenheit und ungebührliches Benehmen“ in ihrer Nachbarschaft.
„Ich kann nur immer wieder sagen, dass keine betrunken Briten kommen werden“, verspricht die Bürgermeisterin. Sie wirbt für das Erotik-Zentrum: „Es verbindet Kultur und Sex – ein Zentrum mit Klasse.“
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