Alle Augen richten sich auf McConnell: Hält er Trump die Treue?
Donald Trump liebt ja Superlativen - alles, was er plant und macht ist in seiner Welt das Beste, Größte, Höchste, Tollste, Erste. Jetzt muss er damit leben, als erster Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten auch noch ein zweites Amtsenthebungsverfahren durchstehen zu müssen.
Das Repräsentantenhaus hat Dienstagabend (MEZ) mit den Stimmen der Demokraten und auch zehn Republikanern wegen "Anstiftung zum Aufruhr" das Impeachment-Verfahren abgesegnet.
Einen Schuldspruch gegen einen Präsidenten gab es noch nie. Damit würde Trump erst recht Geschichte schreiben.
Hölzerner Trump
Und was sagt Trump dazu? Der Noch-Präsident meldet sich kurz nach dem Impeachment-Votum mit einem - heruntergeleierten - Aufruf zur Versöhnung an die Nation. Das Impeachment-Votum selbst erwähnt er mit keiner Silbe.
In einem gut fünfminütigen Videoclip gibt sich der Republikaner ungewohnt sanft und präsidial, verurteilt die Krawalle, ist bemüht, sich von den Randalierern zu distanzieren, ruft zu Einigkeit und Gewaltverzicht auf. Es ist eine Botschaft an alle Amerikaner, sagt Trump.
Doch einer dürfte er dabei besonders im Hinterkopf haben: Mitch McConnell. Denn es kommt auf den Senat, der das letzte Wort bei einem Amtsenthebungsverfahren hat, und den republikanischen Mehrheitsführer McConell an, ob Trump tatsächlich "impeached" wird - und damit auch nicht wieder als US-Präsident 2024 kandidieren darf. Und das ist auch das Motiv hinter der Aktion nur wenige Tage vor dem Amtsantritt von Joe Biden am 20. Jänner.
McConnell: Unentschieden
Die „New York Times“ berichtete, dass McConnell, das Impeachment-Verfahren für gerechtfertigt halte und sogar froh darüber sei, weil sich die republikanische Partei auf diesem Weg von Trump lossagen könne. Würde sich der mächtige Republikaner intern oder sogar öffentlich gegen Trump stellen, dann könnten andere Senatoren der Grand Old Party mitziehen. Es braucht 17 republikanische Senatoren und 50 der Demokraten, dann kann Trump tatsächlich verurteilt werden.
McConnell stand jahrelang stramm an Trumps Seite, agierte als dessen verlängerter Arm im Senat. Trumps Feldzug gegen den Wahlausgang wollte McConnell zum Schluss aber nicht mehr mittragen. Der Sturm auf das Kapitol habe der Beziehung der beiden den Rest gegeben, berichten US-Medien unter Berufung auf McConnells Umfeld.
In einer Nachricht an seine Senatskollegen erklärt der Republikaner am Mittwoch nach übereinstimmenden Berichten, dass er noch unentschieden sei, wie er abstimmen werde. Eine beachtliche Ansage.
Aber vor der Vereidigung von Trumps Nachfolger, Joe Biden, in der kommenden Woche will er nichts tun. Doch das Ziel der Demokraten, Trump für künftige Ämter zu sperren, wäre auch nach Bidens Antritt noch zu erreichen.
Soldaten im Kapitol
Bei der Sitzung des Repräsentantenhauses zum Impeachment am Mittwoch war das Kapitol hermetisch abgeriegelt. Tausende schwer bewaffnete Nationalgardisten sichern das Gebäude - außen und innen. Wer in der Nacht nicht gerade Wache hielt, schlief irgendwo in den Gängen und Hallen des ehrwürdigen Gebäudes.
Bei der Debatte im Saal erzählen Abgeordnete, wie sie sich eine Woche zuvor vor den Eindringlingen in Sicherheit bringen mussten, wie sie am Boden kauerten, Angst um ihr Leben hatten. Die Kammervorsitzende, die Demokratin Nancy Pelosi, nennt Trump „eine Gefahr für das Land“.
"Waren alle Zeugen"
Nach den brutalen Krawallen am und im Kapitol braucht es auch deshalb keine Untersuchungen, Anhörungen, Ausschusssitzungen wie beim ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wegen der Ukraine-Affäre. „Es gibt nicht viel zu untersuchen“, sagt der demokratische Abgeordnete David Cicilline. „Wir waren alle Zeugen davon oder Opfer davon, wir haben alle öffentlich die Aussagen des Präsidenten und seine Tweets gesehen.“
Der oberste Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy - bislang ein ergebener Trump-Verbündeter - sagte ebenfalls, Trump trage Verantwortung für die Attacke auf das Kapitol. „Der Präsident ist nicht ohne Schuld", so McCarthy. Aber ein Impeachment in letzter Minute sei der falsche Weg.
Dilemma der Republikaner
Viele Republikaner stecken in dem Dilemma, dass sie sich von Trump distanzieren wollen, ohne aber dessen große Anhängerschaft zu vergraulen. Sie brauchen Trumps Basis bei kommenden Wahlen. Manche versuchen daher den Balance-Akt zwischen offener Kritik und einem Rest an Loyalität zu Trump - oder zumindest zu dessen Anhängern.
Unter dem Eindruck der Krawalle, bei denen Abgeordnete und Senatoren um ihr Leben fürchteten, gibt es jedenfalls eine gewisse Dynamik gegen Trump in der republikanischen Partei. Wie lange diese anhält, ist offen.
Klare Kante zeigte jedenfalls bereits Liz Cheney, die zur Führungsriege der Republikaner im Abgeordnetenhaus gehört: Sie sprach sich ganz klar gegen Trump aus und stimmte im Abgeordnetenhaus für ein Impeachment Trumps.
Bidens Sorgen
Und was sagt der künftige US-Präsident zu alle dem? Biden sagte, er hoffe, der Senat werde einen Weg finden, das Amtsenthebungsverfahren zu führen und gleichzeitig an anderen dringenden Angelegenheiten für das Land zu arbeiten. Es sei wichtig für seine Regierung, Schlüsselpositionen im Kabinett schnell zu besetzen. Und dabei ist Biden auf den Senat angewiesen, der diese Personalien absegnen muss.
Biden nannte auch den Kampf gegen die Corona-Pandemie und Hilfen für die Wirtschaft als Themen, mit denen sich der Senat gleich zu seinem Amtsantritt beschäftigen müsse.
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