Der Krieg kommt ins Machtzentrum

Eine Serie der Gewalt erschüttert Kabul. Die Zukunft ohne internationale Unterstützung ist düster.

Seinen Ruf als relativ ruhige Hauptstadt eines ganz und gar nicht ruhigen Landes ist Kabul los. Am Dienstag knatterten automatische Waffen in der Stadt, unterbrochen von Dutzenden schweren Explosionen. Rauchsäulen stiegen über dem Zentrum auf. Lautete die blutige Rechnung zu Beginn dieses Jahres noch, pro Monat in etwa ein Anschlag, so hat sich das massiv verändert: Jede Woche kommt es in der Stadt mittlerweile zu massiven Gefechten oder Anschlägen.

Noch nie aber gelang es den Aufständischen so nah an und so tief in das Machtzentrum Afghanistans vor- und einzudringen. Nur wenige hundert Meter vom Präsidentenpalast inmitten eines rundum abgesicherten Komplexes, in dem auch das Verteidigungsministerium und ein CIA-Büro liegen, kam es am Dienstag zu Kämpfen mit Taliban. Präsident Karzai selbst war zur Zeit des Anschlages in seinem Büro und bereitete sich auf eine Pressekonferenz vor.

Ausgeklügelte Technik

Wie der Angriff vom Dienstag einmal mehr zeigt, sind die Rebellen immer besser organisiert, bestens informiert und verwenden immer ausgeklügeltere Technik und Sprengstoffe. Mithilfe gefälschter Ausweise fuhren die Attentäter diesmal in zwei Jeeps durch mehrere Straßensperren – anscheinend auch durch eine von Soldaten der NATO-Truppe ISAF gesicherte – vor den Präsidentenpalast, ehe sie gestoppt wurden. Die Attentäter trugen Armee-Uniformen. Fast zwei Stunden dauerte das Feuergefecht. Ein dritter Geländewagen explodierte anscheinend vor dem Komplex.

Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff, während noch gekämpft wurde. Via SMS verlautete ein Sprecher der Organisation, Ziel der Angreifer sei das Ariana-Hotel gewesen, ein Hotel in dem Komplex, das von Ausländern frequentiert wird und in dem die CIA ein Büro hat. Mindestens vier Angreifer und drei Soldaten der Leibgarde von Präsident Hamid Karzai starben.

Angriffsserie

Kabul wird seit Monaten von einer Serie an Angriffen erschüttert – während die Sicherheitsverantwortung über das Land mittlerweile bei den afghanischen Sicherheitskräften liegt und die ausländischen Soldaten nur mehr unterstützend aktiv werden. In Reden und Ansprachen wird dabei gerne seitens Politikern und Diplomaten von einer signifikanten Verbesserung der Sicherheitslage gesprochen. Jenseits eingeschaltener Mikrofone klingt es weitaus weniger optimistisch.

Mit Ende des Jahres aber wird die ISAF abgezogen sein. Was danach kommt, ist mehr als ungewiss. Von vielerlei Seiten gibt es Versprechungen, man werde zivile Projekte weiterführen. Ob das aber die Sicherheitslage erlauben wird, ist aber unklar.

Rotes Kreuz zum Ziel geworden

Zahlreiche internationale Organisationen, wie zuletzt das Internationale Rote Kreuz, sind in dem Konflikt schon jetzt zum Ziel geworden. Das Rote Kreuz in etwa ist gerade aktiv dabei, ausländisches Personal abzuziehen – vorübergehend, wie betont wird. Offiziell heißt es, man überdenke die Umsetzung des Einsatzes, nicht aber den Einsatz an sich. Der Schritt ist die Konsequenz aus einem Angriff auf das Büro des Roten Kreuzes am 29. Mai in Jalalabad, bei dem ein Wachmann starb und drei Mitarbeiter verletzt wurden. Die Taliban haben jede Verantwortung für den Angriff zurückgewiesen. Aber sie sind ja längst nicht die einzige Organisation im Kreise der Aufständischen.

So wie das Rote Kreuz haben eine ganze Reihe internationaler Organisationen ihre Einsätze aus Sicherheitsgründen zurückgefahren – oder die Aktivitäten dahingehend eingeschränkt, dass ihre Mitarbeiter nur mehr in geringem Umfang außerhalb gesicherter Büro- und Wohnkomplexe unterwegs sind.

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