Äthiopien: „Es ist Zeit, dass die Menschen nach Hause kommen“

Äthiopien: „Es ist Zeit, dass die Menschen nach Hause kommen“
Der KURIER hat mit einem Helfer in Addis Abeba darüber gesprochen, was der neue Waffenstillstand bedeutet.

Für Beobachter war es nicht das Ende eines Prozesses, sondern erst der Anfang: jenes am Mittwoch in Südafrika unterzeichnete Abkommen, das den Frieden nach Äthiopien zurückholen soll. Die äthiopische Regierung und die Rebellen der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) hatten sich an einen Tisch gesetzt, um den nun in Kraft getretenen Waffenstillstand zu verhandeln. Details dazu, worauf die politische Lösung basiert, gab es zunächst keine.

Der von beiden Seiten brutal geführte Konflikt zwischen ihnen, der im Westen den Migrationsdruck erhöhte, begann im November 2020 – nur Monate, nachdem Äthiopiens Präsident Abiy Ahmed für seine Aussöhnungspolitik mit dem Nachbarland Eritrea einen Friedensnobelpreis erhalten hatte. Die Partei und Rebellengruppe TPLF, die Äthiopien bis 2019 mitregierte, hatte damals mit der Forderung nach mehr Autonomie und trotz eines Verbots der äthiopischen Regierung Wahlen in der nördlichen Region Tigray abgehalten.

Hohe Opferzahlen

Damit kommt das Friedensabkommen genau zwei Jahre nach Kriegsausbruch. Zwei Jahre, in denen die Kämpfe viele Menschenleben gefordert haben – US-Schätzungen zufolge rund eine halbe Million Menschen. Der Konflikt löste zudem eine massive humanitäre Krise aus – insgesamt 13 Millionen der 118 Millionen Einwohner Äthiopiens dürften auf Hilfe angewiesen sein.

Einer der Helfer vor Ort ist Yilma Taye, den der KURIER in einem Videogespräch in seinem Büro in der Haupstadt Addis Abeba erreicht. Seit 30 Jahren arbeitet er für eine österreichische NGO und versorgt Leute in seinem Heimatland mit dringend nötigen Lebensmitteln, baut Schulen und vergibt kleine Kredite an bedürftige Frauen. Wie viele andere Äthiopier hatte Taye vorsichtig, aber mit Hoffnung auf die Verhandlungen der letzten Tage geblickt.

„Es ist an der Zeit, dass die Menschen nach Hause kommen“, sagt Taye und meint damit die mindestens zwei Millionen Binnenvertriebenen. Er habe die letzten Jahre versucht zu helfen, aber viele hätten außer weinen, trauern und beten nicht viel machen können, bevor sie in ihre Häuser zurückkönnen. Zu manchen Regionen habe man außerdem keinen Zugang gehabt.

Das Abkommen erlaubt es NGOs wie der von Taye nun, auch in jenen Gebieten zu helfen, zu denen der Krieg ihnen davor den Weg versperrt hatte. Aber auch jetzt, wo das Abkommen unterschrieben ist, liege noch ein weiter Weg vor dem Land.

Traumata bewältigen

Taye glaubt, dass es noch viele Jahre dauern werde, bis das Land sich vom Krieg erholen wird. Anfangen müsse man bei der mentalen Gesundheit der Menschen: „Sie sind traumatisiert und brauchen psychotherapeutische Unterstützung“, so der Helfer. Seinen größter Wunsch für Äthiopien: „Mehr Jobmöglichkeiten für die Jungen. Können sie arbeiten, sind sie vielleicht irgendwann nicht mehr von humanitärer Hilfe abhängig.“

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