Aufstand rot-schwarzer Mandatare

Aufstand rot-schwarzer Mandatare
Nationalrat: In der SPÖ gibt es Gegenstimmen zum Fiskalpakt, in der ÖVP wehren sich Mandatare gegen eine Gesetzgebung per Volksabstimmung.

Im Parlament geht es rund. In der SPÖ ist die Zustimmung zum Fiskalpakt – einer Sparverpflichtung in der Eurozone – noch umstritten. Der Fiskalpakt soll in der Juli-Plenarsitzung beschlossen werden. Derzeit sind mindestens vier Abgeordnete dagegen, weitere sind unentschlossen. Zentrum des Widerstands ist Oberösterreich. Landesparteichef Josef Ackerl hat am Mittwoch im Parteipräsidium gegen den Fiskalpakt gestimmt. Zwar hat das Präsidium insgesamt den Pakt mit 33 Pro-Stimmen beschlossen, aber die Zustimmung der Gewerkschaft ist an eine Bedingung geknüpft, wie die Abgeordnete Rosemarie Schönpass sagt: "Es muss der 120-Milliarden-Wachstumspakt in dem österreichischen Antrag verankert sein. Erst dann stimme ich zu. Das ist auch mit der Gewerkschaft so paktiert, sonst stimmen die auch dagegen." Ihr Fraktionskollege Walter Schopf : "Den Pakt allein beschließe ich sicher nicht. Es muss vom Kanzler die Sicherheit gegeben werden, dass es Begleitmaßnahmen gibt: 120 Milliarden Wachstumspaket und die Finanztransaktionssteuer. Wir arbeiten bei der ÖVP darauf hin, dass der Wachstumspakt in den Fiskalpakt-Antrag hineingeschrieben wird." Abgeordneter Dieter Keck : "Finanztransaktionssteuer und Wachstumspakt müssen kommen, sonst stimme ich nicht zu."

Die Abgeordneten Sonja Ablinger und Harry Buchmayr wollen den Pakt ablehnen. Buchmayr: "Der Drang ist schon sehr stark, dagegenzustimmen." In der EU müsste dem Ausbau der Demokratie die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet werden wie der Euro-Rettung. Die Abgeordneten Hermann Krist und Franz Kirchgatterer sind ebenfalls noch nicht überzeugt. Sie wollen "vertiefende Diskussionen im Klub abwarten." Tatsächlich hat Klubchef Josef Cap am Montag eine Klub-Sitzung mit Experten einberufen. Den Abgeordnetenfragen stellen sich Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny und der Ökonom Stephan Schulmeister – letzterer ein deklarierter Gegner des Fiskalpakts. Nowotny wiederum erregt gerade weltweit Aufmerksamkeit mit seiner Aussage, man müsse die Lehren aus den 1930er-Jahren ziehen. Eine strikte Sparpolitik habe damals zum Zusammenbruch demokratischer Systeme und zum Aufstieg des Nationalsozialismus beigetragen. In Verkennung historischer Tatsachen unterstellten deutsche Medien, Nowotny, ziehe einen "Nazi-Vergleich" mit Angela Merkel s Sparpolitik. Tatsächlich machten die Nazis genau das Gegenteil der vorangegangenen Sparpolitik: Sie kurbelten die Rüstungsindustrie an und bauten Panzerpisten (Autobahnen).

Josef Cap weist die Forderungen seiner rebellischen Abgeordneten in formaler Hinsicht zurück: Der Fiskalpakt sei ein internationaler Vertrag, in den man "nichts hinein schreiben" könne. Inhaltlich versichert er, die Forderungen der Abgeordneten würden erfüllt und verweist auf die deutsche Einigung. Tatsächlich haben sich gestern die CDU/FDP-Koalition mit Rot und Grün auf Finanztransaktionssteuer und Wachstumspakt als Bedingung für den Fiskalpakt geeinigt. Der Bundestag will geschlossen für den Pakt stimmen, allerdings will Bundespräsident Joachim Gauck wegen drohender Klagen beim Verfassungsgerichtshof weder den Rettungsschirm ESM noch den Fiskalpakt unterschreiben. In Österreich fordert die FPÖ dasselbe von Bundespräsident Heinz Fischer , bevor nicht eine Volksabstimmung abgehalten wurde.

Krach gibt es in der ÖVP. Heute soll der Bundesparteivorstand beschließen, dass es künftig eine Gesetzgebung ohne Parlament geben soll. Zehn Prozent der Wahlberechtigten sollen eine Volksabstimmung herbeiführen können. Im ÖVP-Klub gibt es dagegen massiven Widerstand. Laut KURIER-Information ist mindestens ein Viertel der Abgeordneten gegen Gesetzgebung per Plebiszit und ohne Parlament. Abgeordneter Günter Stummvoll : "Man darf die Gesetzgebung nicht zur Spielwiese der Populisten und des Boulevard machen." Nirgends würden so viele Leute ausschließlich Boulevardzeitungen lesen wie in Österreich.

Außerdem verweist Stummvoll auf einen wichtigen Punkt: In dem ÖVP-Konzept ist vorgesehen, dass nach Vorliegen von 650.000 Bürgerunterschriften das Parlament mit dem Anliegen befasst werden muss. Kommt das Parlament zu dem Schluss, dass es das Anliegen nicht oder nur in abgeänderter Form umsetzen will, muss es eine Volksabstimmung geben. Hier hakt Stummvoll ein: "Wenn die Volksabstimmung dann anders ausgeht als der Nationalrat entschieden hat, ist das Parlament ausgehebelt. Damit ist dem Nationalrat das Vertrauen der Bürger entzogen. Dann ist die logische Konsequenz, dass es Neuwahlen geben muss."

In der letzten Klubsitzung kam es zu einem Schlagabtausch zwischen Parteichef Michael Spindelegger , der die Direktdemokratie forciert, und mehreren Abgeordneten. Einer der Kritiker, Michael Ikrath , sagt: "Gesetzgebung ohne Parlament wäre der Weg von der repräsentativen Demokratie in ein Eldorado für Populisten."

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