Amrum: War die Tragödie zu verhindern?

Amrum: War die Tragödie zu verhindern?
Sebastian aus Baden ist laut Obduktion beim Spiel im Sandloch erstickt. Bewohner sprechen über die Tücken des Sands auf der Nordseeinsel.

Frank Timpe ist derzeit ein sehr gefragter Mann. Bis Donnerstagmittag hatte er sich noch hinter den Amtsakten versteckt. Nun spricht der Direktor der Amrum Touristik erstmals. Von "großer Betroffenheit" und "tiefem Mitgefühl" ist die Rede. Die Frage nach dem Warum hört er aber nicht so gerne: "Zuerst müssen wir doch die Untersuchungen der Polizei abwarten."

Der Tod des zehnjährigen Urlauberkindes Sebastian W. aus Baden bei Wien, der am Sonntag beim Spielen in einem Loch im Sand verschüttet wurde, wirft Fragen auf. Dass zwar davor gewarnt wird, die brütenden Vögel zu stören, nicht aber vor dem tückischen Sand, hatten Bewohner ganz lapidar so erklärt: Zweiteres wisse ohnehin jeder.

"Bis jetzt hatten wir noch nie so einen Fall, auch wo­anders nicht. Das ganze Watt rund um die Insel, ja die gesamte Nordseeküste ist bei Niedrigwasser ein einziger Sand-Spielplatz für Kinder. Wenn das so ein Gefährdungspotenzial hätte, hätten wir schon früher so etwas haben müssen", sagt Timpe.

Lebensretter nicht da

Amrum: War die Tragödie zu verhindern?

Dass nur rund 80 Meter von der Unfallstelle entfernt ein Ausguck der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft ist, verschärft die Tragik. Aber deren Aufgabe ist nicht die Überwachung des zum Unglückszeitpunkt leeren, Hunderte Meter breiten Watts, sondern nur die des Wassers, wenn die Flut wieder da ist. Deshalb war wohl auch kein Retter im Einsatz.

"Verstehen kann ich das alles nicht", sagt Arno Witt, ein Mittsechziger aus München, der am Donnerstag mit seiner Frau auf einer Parkbank in Sichtweite des Unglücksortes sitzt. Witt ist auf Amrum aufgewachsen und seither jeden Sommer hier. "Man weiß hier, dass der feine Sand, sobald er trocken ist, einen besonders flachen Böschungswinkel hat, dass er sofort nachrutscht. Nirgends rieselt er wie hier, fast wie Wasser. In tieferen Löchern kann einen der Sand in Sekunden begraben", meint Witt. Und seine Frau: "Man darf Kinder, die nichts lieber tun, als im Sand zu buddeln, und das noch mit den heute so großen Spielschaufeln, auch nicht aus den Augen lassen."

"Was ich nicht verstehe", sagt ein anderer Gast, "ist, warum man nicht gleich an der Stelle, wo Sebastian zuletzt gesehen wurde, richtig gesucht hat." Das räumt inzwischen auch Polizei­sprecherin Stielow ein: "Man hat beim ersten Mal eben nicht tief genug ge­buddelt."

Erst durch ein Urlauber­foto wurde am Mittwoch klar, dass der Bub in der Grube verschüttet worden sein dürfte, die er ganz allein am Rand des Piratenschiffs gegraben hatte. Als wenig später seine Eltern kamen, war offenbar von der Grube schon nichts mehr zu sehen, vielleicht auch durch den Wind, der an der Nordsee herrschte.

Keine Verletzungen

Klar scheint hingegen seit Donnerstag Nachmittag, dass sich Sebas­tian tatsächlich selbst sein Grab geschaufelt hat. Die von den Eltern identi­fizierte Leiche des blond gelockten Buben war in der nord­friesischen Kreishauptstadt Husum untersucht worden. Die Obduktion ergab keine Verletzungen oder Hinweise auf ein Fremd­verschulden. Als Todes­ursache wurde "Er­sticken" angegeben.


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