Afghanistan: Blutiger Feiertag für Schiiten

Afghanistan: Blutiger Feiertag für Schiiten
Am Tag des schiitischen Aschura-Festes wurden in Masar-i-Sharif und Kabul Dutzende Gläubige getötet.

Es ist eine Art von Terror, die an Pakistan oder den Irak erinnert: Schiitische Muslime als Ziel von Anschlägen. In Kabul, Mazar-i-Sharif und Kandahar explodierten am Dienstag Bomben. Ziel dieser Attentate dürften schiitische Muslime gewesen sein. Derartige, auf diese muslimische Glaubensrichtung gerichtete Anschläge sind ungewöhnlich für Afghanistan.

Und ungewöhnlich hoch ist auch der Blutzoll: Von 150 Opfern alleine in Kabul sprach ein örtlicher Polizeikommandant. Mindestens 48 davon sollen getötet, mindestens 100 verletzt worden sein. In Kabul hatte ein Selbstmordattentäter in einem schiitischen Schrein seine Bombe gezündet – inmitten der Betenden, die sich zum Aschura-Fest versammelt hatten, einem hohen schiitischen Feiertag.

Noch Stunden nach dem Anschlag war die Lage unübersichtlich. Zu viel Blut, zu viele Verletzte, zu viele Tote. Auch in Mazar-i-Sharif explodierte die an einem Fahrrad montierte Bombe eines Selbstmordattentäters nahe einer schiitischen Moschee im

Stadtzentrum. Vier Menschen, darunter ein afghanischer Soldat, starben. 20 Personen wurden verletzt. Bei der Explosion in Kandahar gab es drei Verletzte. Ziel war eine Polizei-Patrouille.

 

 

Keine Bekenner

Vertreter der Sicherheitsorgane und Beobachter sprechen von einer koordinierten Serie. Vor allem, weil die Bomben in Kabul und Mazar-i-Sharif im Norden des Landes beinahe zeitgleich detonierten. Über die Hintermänner gab es zunächst keine Angaben.

Die Taliban, deren Anschläge sich eher gegen Europäer, Amerikaner oder deren afghanische „Kollaborateure“ richten, stritten die Verantwortung für die Tat ab und sprachen von einem „unmenschlichen und un-islamischen“ Akt. Man würde nicht zulassen, dass die Sicherheit der Afghanen, egal, welcher Religion oder Stammeszugehörigkeit, gefährdet werde. Klar ist aber: Die Geschichte der Taliban ist vor allem eine der Gewalt gegen verfeindete Stämme und abtrünnige Glaubens-auslegungen sowie eine Geschichte

paschtunischen Herrenrassen-Denkens.

Wer auch immer hinter den Taten steckt: Anstatt einer Demonstration der Macht sehen optimistische Beobachter hinter den Anschlägen eher ein Zeichen für den schwindenden Einfluss und Rückhalt Aufständischer in der Bevölkerung als für deren wachsende logistische Kapazität, Anschläge wie diese durchzuführen.

Zugleich sind aber auch die militärischen Erfolge der NATO-Truppe ISAF bescheiden. 2011 war bisher das zweitblutigste Jahr für die ISAF seit Beginn des NATO-Einsatzes 2001. Und der angekündigte Abzug 2014 erhöht den Druck auf die Rebellen keineswegs. Im Gegenteil, die Zeit spielt für sie.

Das Land: Fragiler Vielvölkerstaat

Ethnien Genaue Zahlen gibt es nicht. Und oft stimmen Selbstzuschreibung und Fremddefinition nicht überein. Die Ethnien gliedern sich zudem weiter in Stämme, Gruppen, Familien. Rund 40 Prozent sind Paschtunen. Rund 30 Prozent Tadschiken. Hazara und Usbeken machen jeweils rund 10 Prozent aus. Den Rest bilden zahlreich kleine Ethnien.

Religion Rund 80 Prozent sind Sunniten, rund 20 Prozent Schiiten. Daneben gibt es noch rund 15.000 Hindus, einige Hundert Sikhs und einen Juden.

Sprachen Amtssprachen sind Dari (verwandt mit dem Persischen) und Paschtu. Daneben werden rund 50 Sprachen und 200 Dialekte gesprochen.

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