17 Jahre unschuldig im Gefängnis?
Einbruch, Raub, Diebstahl. . . Nach welchem Delikt genau heuer in Deutschland die Fingerabdrücke des Mannes genommen worden waren, darüber schweigen die Behörden. Allerdings dürfte es den in München lebenden Holländer schwer in die Bredouille bringen - und einen heute 60-jährigen Welser entlasten, der 17 Jahre seines Lebens vielleicht unschuldig in Haft gesessen ist.
Der Reihe nach: Am Nachmittag des 5. November 1980 wurde in Salzburg die 23-jährige Prostituierte Heidemarie Mayerhofer mit einem zwei Meter langen Elektrokabel erwürgt. Spuren eines Kampfes fehlten, die Tote lag auf dem Rücken im Bett in einer Wohnung in der Linzergasse. Ein Sexualverbrechen lag nicht vor, offenbar fehlten in der Wohnung aber 3000 Schilling. Mayerhofers damaliger Zuhälter, der 29-jährige Manfred "Mandi" B. fand die Leiche und verständigte die Polizei, geriet aber selbst rasch ins Visier der Ermittler und wurde mangels Alibi festgenommen.
B. leugnete trotz stundenlanger Verhöre die Tat, trotzdem kam es ein Jahr später zum Prozess. Die drogensüchtige Mayerhofer habe aus dem Milieu aussteigen wollen, der Zuhälter habe sie deswegen massiv bedroht, hieß es damals. Mitunter habe er die Frau auch geschlagen. Einen Beweis für den Mord gab es nicht, die Geschworenen sprachen B. aber mit 5:3 Stimmen schuldig. Er erhielt 20 Jahre, saß den Großteil davon ab und begann nach der Tat ein neues Leben in Oberösterreich. Bis ihn jetzt die Vergangenheit einholte.
"Am Tatort wurden seinerzeit Fingerabdrücke auf einer Schmuckschatulle gefunden, die niemandem zugeordnet werden konnten", erklärt Barbara Feichtinger von der Staatsanwaltschaft Salzburg. Die Prints kamen in eine Datenbank und blieben dort erfasst - mehr als 30 Jahre lang. Bis im Frühjahr der Routineabgleich mit den in Deutschland genommenen Fingerabdrücken zu einem Treffer führte.
Wiederaufnahme
Tatsächlich arbeitete der Niederländer 1980 als Lehrling in Salzburg. "Natürlich könnte er auch ein Kunde gewesen sein, der sich am Geld vergriffen hat", betont Feichtinger. Die Staatsanwaltschaft beantragte trotzdem die Wiederaufnahme des Verfahrens. Ob und wann es dazu kommt, ist noch unklar: Zurzeit läuft ein Rechtshilfeersuchen nach Deutschland, wo der Holländer befragt werden soll.
B.'s Anwalt Clemens Krabatsch hofft auf eine Antwort noch in diesem Jahr. "Dann entscheidet das Landesgericht, ob es weitere Erhebungen durchführt." Dass der nun Verdächtige sein Gewissen erleichtert und ein spätes Geständnis ablegt, hält Krabatsch indes für unwahrscheinlich.
Sollte das Gericht die Wiederaufnahme bewilligen, könnte B. in einem neuen Prozess freigesprochen werden. Dann dürfte ihm auch eine Haftentschädigung zustehen. Und die könnte - wenn die alte Regelung mit Entschädigungssätzen von 100 Euro pro Tag greift - bis zu 600.000 Euro betragen. Allerdings wurden im Vorjahr die Entschädigungen auf maximal 50 Euro pro Jahr reduziert.
B.'s Anwalt Krabatsch ist sich sicher, dass vor dem Prozess geschlampt wurde. Am Leibchen der Toten fand sich damals Blut der Gruppe "0", das weder vom Opfer noch von B. stammte. "Und obwohl die Spurensicherung das Blut dokumentiert hat, meinte der Gerichtsgutachter später, es stamme vielleicht von einem Prosekturgehilfen im Zuge der Obduktion."
Brisant: Eben dieser mittlerweile verstorbene Gutachter ist auch in den Fall einer 25-Jährigen involviert, die 1991 tot aufgefunden wurde. Er stellte damals - im Gegensatz zu Kollegen - keine Fremdeinwirkung fest. Auch dieser Fall könnte neu aufgerollt werden.
Abdruck: Jährlich 700 Strafdaten geklärt
Identifikation
Was ist ein Fingerabdruck im DNA-Zeitaltereigentlich noch wert? Sehr viel, meint Reinhard Schmid, Leiter des Zentralen Erkennungsdienst im BKA. "Im Gegensatz zu DNA - Stichwort eineiige Zwillinge - ist ein Fingerabdruck wirklich einmalig." Und schnell: "Der Laborprozess bei DNA-Proben dauert minimal eine Woche."
Treffer
Auch daktyloskopische (Daktyloskopie = das Verfahren, Menschen anhand ihrer Fingerabdrücke zu identifizieren) Tatortspuren werden in einer zentralen Datei erfasst. 700 Taten werden in Österreich pro Jahr so geklärt. "Das ist zwar weniger als mit DNA-Spuren, allerdings sind sehr viele schwere Straftaten dabei."
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