Modevorbild Gwyneth Paltrow: Wie man sich vor Gericht kleiden sollte

Dreißig Millionen Menschen sahen in den vergangenen zwei Wochen zu, wie sich Hollywoodstar und Wellness-Guru Gwyneth Paltrow vor Gericht verantworten musste. Das lag kaum an der Dramatik der Anklage – es ging um einen Skiunfall auf den Pisten Utahs, der sieben Jahre zurückliegt –, sondern am filmreifen Auftritt der 50-Jährigen. Vor allem ihre täglich wechselnden Outfits in Erd- und Pastelltönen wurden in den sozialen Medien gefeiert. Paltrow setzte auf einen Mix aus Après-Ski-Chic und zurückhaltendem Luxus, eine Ästhetik, die in der Mode als „Stealth Wealth“, geheimer Reichtum, bekannt ist.
„Gwynnocent“, wie Paltrow seit ihrem Freispruch genannt wird, ist nicht die erste Prominente, deren Gerichtsgarderobe heiß diskutiert wird. Amber Heard erschien im Prozess gegen Johnny Depp vorwiegend in Herrenanzügen mit hoch geschlossenen Blusen und gab Rätsel auf, als sie die Looks ihres Ex-Mannes imitierte. Die bewusst braven, vom Stylisten ausgesuchten Outfits der Hochstaplerin Anna Sorokin wurden in einem eigenen Instagram-Profil dokumentiert. Am Ende half der inszenierte Unschuldslook auch nichts – Sorokin musste ins Gefängnis.
Tarnen und Täuschen
„Tatsächlich gilt es aber als erwiesen, dass fesche gepflegte Menschen mildere Urteile ausfassen, als Menschen, bei denen dies nicht der Fall ist“, erklärt die Wiener Rechtsanwältin Katharina Braun. Den Hype um „Courtcore“, wie die New York Times das neue Modegenre taufte, führt die Juristin auf die Liveübertragung von Prozessen zurück, die in den USA schon seit längerer Zeit üblich ist. „So kann man als Zuseher am Privatleben und den Problemen amerikanischer Prominenter teilhaben. Über Mode und Aussehen kann jeder mitreden.“
Sie selbst habe die Bedeutung von Kleidung im Gerichtssaal zu Beginn ihrer Karriere oft unterschätzt. Heute erlebt sie bei Verhandlungen regelmäßig, wie Mode von Mandanten eingesetzt wird, um Botschaften zu vermitteln. „Wenn eine Frau, von der man weiß, dass sie vermögend ist, vor Gericht im Lumpengewand kommt, wird das meist als Täuschungsversuch interpretiert“, erzählt die Scheidungsanwältin. „Manchmal wird das von der Gegenseite direkt angesprochen: ,Frau Rat, meine Frau zieht eine Show ab. Sie macht auf arme Hausfrau, dabei ist sie eine Luxusprinzessin.’“

Extravaganz
Wie also sollte man bei einem Gerichtstermin erscheinen? Nicht verkleidet, sondern so, dass man sich wohlfühlt, rät die Anwältin. Ein Anzug sei kein Muss, gepflegte, saubere Kleidung in neutralen Farben schon. Lob erntete Topmodel Kate Moss, die im Depp-Prozess in locker gebundener Schluppenbluse als Zeugin aussagte. Ein ähnliches Modell, wie es Paltrow in Park City trug (von ihrem eigenen Label Goop).
Nicht nur prominente Angeklagte und Kläger, auch Anwälte liefern mitunter durch ihre Kleidung Gesprächsstoff. Extravagant mag es Michael Dohr, der im Buwog-Prozess mit schrillen, bunten Anzügen auffiel. Ein mit Geldscheinen bedrucktes Modell von Vivienne Westwood blieb besonders im Gedächtnis.
„Das Gericht soll nicht zur Clowneske verkommen. Die Kleidung sollte diesem wichtigen Anlass angepasst werden, sonst läuft man Gefahr, arrogant zu wirken“, kommentiert Braun. Ihr Urteil: „Paltrow ist das gelungen.“
Die Schauspielerin soll nun von ihrem Kläger, einem pensionierten Augenarzt, einen symbolischen Dollar Schadenersatz erhalten. Für ihr Image als Stilikone war der Prozess ohnehin unbezahlbar.
Kommentare