Bildungspolitik im Blindflug

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Die Hochschulen bilden Pädagogen aus, die die Schulen nicht brauchen, und jede dritte Lehrkraft arbeitet in Teilzeit. Kein Wunder, dass überall Lehrer fehlen.
Christian Böhmer

Christian Böhmer

Österreich fehlen Lehrerinnen und Lehrer. Immer noch. Zwar haben laut Bildungsminister Christoph Wiederkehr so viele junge Menschen wie schon seit Jahrzehnten nicht ein Lehramtsstudium begonnen. Den gewaltigen Personalmangel in Fächern wie Mathematik, Deutsch oder Sport vermag das aber vorerst nicht zu beheben.

Nun hat Wiederkehr das Ärgernis nicht ursächlich zu verantworten – er ist seit gerade einmal 260 Tagen im Amt. Aber ihn, die Regierung und natürlich auch die Verwaltung muss man fragen: Was ist bei der Planung der Lehrkräfte eigentlich so kompliziert? Im Unterschied zum Gros der Wirtschaft hat die Bildungspolitik eine mehrjährige Planungssicherheit: Wenn heute in Wien, Bregenz oder Villach ein Kind geboren wird, ist eines sicher: In sechs Jahren braucht dieses Kind einen Volksschulplatz.

Natürlich erschweren Zu- und Abwanderung die Rechnung; und je älter die Kinder sind, desto schwieriger wird die Planung: Wer geht ins Gymnasium, wer in die HTL? Wer wird Handwerker?

All das ändert aber nichts daran, dass bei der Art und Weise, wie Ausbildung und Einsatz der Pädagogen gesteuert werden, noch Luft nach oben besteht.

Was bei anderen Studien längst als logisch und notwendig erscheint, dass nämlich die Hochschulen mit Zugangsbeschränkungen und -prüfungen steuern, wie viele junge Menschen sie auf Kosten der Allgemeinheit ausbilden, ist im Bildungswesen kein großes Thema. Wie sonst lässt sich erklären, dass die Unis in Fächern wie Geschichte doppelt so viele Studenten im Lehramt ausbilden, wie die Schulen später benötigen?

Die fehlende Planung und mangelnde Vorgaben setzen sich in den Schulen fort: Obwohl ein Vollzeitjob als Lehrkraft in der Regel 22 Wochenstunden in der Klasse vorsieht, arbeitet heute jeder dritte Pädagoge in Teilzeit.

Den angehenden bzw. arbeitenden Lehrkräften kann man die missliche Lage nur bedingt vorhalten. Sie spielen nach den Regeln ihres Systems und holen sich das für sie Beste heraus – das ist menschlich und logisch.

Aber von einem Staat, dessen Budget gerade ziemlich aus dem Ruder läuft, kann, ja muss man verlangen, bestehende Strukturen und Abläufe zu hinterfragen und – im Sinne des Allgemeinwohls – zu überlegen, was bei Ausbildung und Arbeit der Pädagogen schiefläuft.

Nicht, um die Betroffenen zu sekkieren oder den Job des Lehrers unattraktiv zu machen. Sondern einfach deshalb, weil für die Bildung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dasselbe gilt wie im Gesundheitssystem: Es ist nicht unbedingt zu wenig Geld vorhanden. Es wird bloß für die falschen Dinge ausgegeben.

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