In Schulen der Zukunft braucht es mehr als Mathe und Deutsch

Österreichs Jugend hat gefühlt zu viel Schule und zu wenig Freizeit
Bildungspsychologin Barbara Schober erklärt, auf welche Zukunftskompetenzen es ankommt und warum Schulen Autonomie brauchen.

Klassenzimmer, Fächertrennung, starre Stundenpläne – vieles in der Schule wirkt wie aus der Zeit gefallen. Doch die Welt draußen dreht sich immer schneller: Digitalisierung, Klimakrise, Migration und eine unsichere Arbeitswelt prägen den Alltag junger Menschen. Wie kann Bildung da Schritt halten? Bildungspsychologin Prof. Dr. Barbara Schober erklärt im Interview, was Schüler*innen heute wirklich brauchen – und warum Mut, Selbstvertrauen und Verantwortungsbewusstsein mindestens so wichtig sind wie Mathe und Deutsch.

Frau Prof. Dr. Schober, wie bewerten Sie das österreichische Bildungssystem?

Barbara Schober: Es gibt viel Engagement und hervorragende Arbeit, aber auch noch viel Luft nach oben.

Welche Fähigkeiten brauchen junge Menschen heute?

Neben Basiswissen vor allem den aktiven Umgang mit Veränderungen, digitale Kompetenz, Selbstvertrauen, Mut und Verantwortungsbewusstsein.

Wie lassen sich „Soft Skills“ wie Selbstwirksamkeit, Problemlösekompetenz und Motivation vermitteln?

Das sind keine „Soft Skills“, sondern elementar. Sie entstehen im Alltag – durch Aufgaben, Feedback und eine Kultur, die Autonomie ermöglicht. Was nicht funktioniert, sind einzelne isolierte „Projekttage“ zum Thema „Motivation“.

Was bereitet Ihnen Sorge, was lässt Sie hoffen?

Sorge macht, dass das System zu ideologie- und zu wenig evidenzgetrieben ist. Es reagiert zu wenig auf die Diversität der Schüler*innen und die Komplexität der Welt. Hoffnung geben Schulen, die Neues umsetzen.

Wie sollte Schule 2040 aussehen?

Individuelle Förderung und soziale Gerechtigkeit stehen im Zentrum. Digitale Tools und projektorientiertes, interdisziplinäres Lernen ersetzen starre 45-Minuten-Einheiten. Lehrkräfte arbeiten im Team, fühlen sich wertgeschätzt und haben ein hohes Professionsbewusstsein.

Wo verläuft die Grenze bei der Digitalisierung?

Digitalisierung bestimmt unseren Alltag. Umso wichtiger ist es damit reflektiert umzugehen. Medienbildung – junge Menschen sollten kompetent und reflektiert mit digitaler Technologie umgehen können – und Mediensozialisation – welche Rolle spielen digitale Medien in meiner Lebenswelt, was machen sie mit mir und wie kann ich hier agieren – sind beide wichtig.

Bildungspsychologin Barbara Schober vor weißem Hintergrund.

Barbara Schober, 1970 in Erding geboren, zählt zu den prägenden Stimmen der Bildungspsychologie in Österreich. Nach ihrem Psychologiestudium in Bamberg und Stationen in München kam sie an die Universität Wien, wo sie seit 2011 Professorin ist. Seit 2016 leitet sie dort als Dekanin die Fakultät für Psychologie.

Wie erreichen wir mehr Chancengleichheit?

Das Bildungssystem allein wird das nicht schaffen, aber eine hochwertige frühkindliche Bildung, ein durchlässigeres System sowie mehr Autonomie und gezielte Unterstützung für Schulen in schwierigen Lagen sind wichtige Hebel.

Was hilft gegen den Lehrkräftemangel?

Der Beruf muss attraktiver werden: Lehrkräfte müssen „empowert“ und als hochqualifizierte Expert*innen anerkannt werden.

Reichen Reformen im bisherigen Tempo?

Das Problem ist eher, dass Reformen gemacht werden, man ihre Effekte aber nicht abwartet oder sauber evaluiert. Es braucht Diskurs, Zeit, Evidenz und Kontinuität.

Welche Schritte braucht es?

Professionalisierung der frühkindlichen Bildung sowie mehr Autonomie und Verantwortung für Schulen. Das Problem ist aber, dass oft nur an einem Aspekt gearbeitet wird, das reicht nicht. Bildung ist ein komplexes System. Probleme kann man letztlich nur durch ganzheitliches Vorgehen lösen.

Eine Frau mit Brille arbeitet an einem Computer mit Diagrammen.

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