Wie der Leichtbau-Guru Gordon Murray an Mercedes gescheitert ist

Wie der Leichtbau-Guru Gordon Murray an Mercedes gescheitert ist
Erinnerungen an einen besonderen Abend mit Ex-Formel-1-Designer Gordon Murray zwischen Bugatti Veyron und McLaren-Mercedes SLR

Es war einer dieser raren Momente, die im beruflichen Leben eines Auto-Journalisten eingebrannt bleiben.

Ort des Geschehens war ein versteckter Agriturismo im Norden Siziliens. Hier, in die Nähe jenes Straßenrundkurses, auf dem in den Anfängen des Motorsports die legendäre Targa Florio ausgefahren wurde, hatte Bugatti Quartier bezogen. Es galt, eine Handvoll internationaler Fach-Journalisten erstmals ans Steuer jenes Wundertieres zu lassen, mit dem VW-Lenker Ferdinand Piëch beweisen wollte, wozu die Entwicklungstechniker des Konzerns fähig waren. So wurde der Bugatti Veyron unter massiven Anstrengungen und nach langer Entwicklungszeit 2005 als erster Seriensportwagen mit 1.000 PS Leistung und einer Höchstgeschwindigkeit von über 400 km/h vorgestellt.

Unter der Last, diese exorbitanten Anforderungen Piëchs zu erfüllen, hatte der Veyron mit knapp 2 Tonnen Einsatzgewicht im wahrsten Sinne des Wortes schwer zu tragen. Ein Punkt, der in der Fachwelt der um jedes Kilo Gewicht ritternden Sport- und Rennwagen-Konstrukteure gehöriges Nasenrümpfen zur Folge hatte.

Was wohl mit ein Grund dafür war, dass die Kollegen eines britischen Automagazins mit dem ehemaligen Formel-1-Konstrukteur Gordon Murray einen dezidierten Verfechter des Leichtbaus nach Sizilien mitgebracht hatten. Der Mann, der Niki Laudas berühmten Staubsauger-Brabham ersonnen und als Mastermind des ersten Straßensportwagens von McLaren – des dreisitzigen F1 - gezeigt hatte, dass er nicht nur Formel-1-Boliden neu denken kann, sollte den Fahrbericht des Bugatti Veyron fachlich entsprechend untermauern.

Letztlich ging es aber bei dem ausgedehnten sizilianischen Dinner am Vorabend der ersten Ausfahrt auf öffentlichen Straßen sehr schnell nicht mehr um den Bugatti. Gordon Murray erinnerte sich vielmehr ob der deutschen Ingenieure am Tisch an seine Erfahrungen mit den klassischen Tugenden des deutschen Automobilbauwesens.

Dieses lernte er anhand des von den damaligen Formel-1-Partnern McLaren und Mercedes gemeinsam auf Kiel gelegten Supersportwagen-Projekts Mercedes SLR McLaren besser kennen, als es ihm lieb war. Gestartet war man mit der Idee, einen zeitgemäßen Nachfolger für den klassischen Mercedes SLR auf die Räder zu stellen, mit dem die Stuttgarter bei den Straßenrennen der 50er-Jahre zwischen Mille-Miglia und Carrera Panamericana Rennsportgeschichte geschrieben hatten. Das Konzept kam von McLaren (und damit von Gordon Murray), der Motor von Mercedes.

Immer noch leicht verwundert ob der Entwicklung, die das Projekt genommen hatte, plauderte Murray zu vorgerückter Stunde aus der Schule.

Den McLaren-Ingenieuren um Murray schwebte ein scharfer Straßensportwagen mit Formel-1-Genen vor. Die deutschen Kollegen hatten den Auftrag, ein Auto abzuliefern, das allen Anforderungen gewachsen war, die man bei Daimler an einen Serien-Mercedes stellte. Unabhängig davon, ob es sich um eine Luxus-Limousine oder eben einen Supersportwagen handelt. So wurde das Lastenheft für das Projekt SLR bei jeder Sitzung mit den Mercedes-Leuten umfangreicher, die geforderte Ausstattung immer luxuriöser – und als Folge davon das Gewicht immer höher.

Letztlich war aus einem vermeintlich spartanisch ausgestatteten, auf Parameter wie das Leistungsgewicht fokussierten Leichtbau-Boliden mit Straßenzulassung ein „echter“ Mercedes geworden. Der stolze 1,8 Tonnen Leergewicht auf die Waage brachte. Und damit knapp doppelt so schwer war, wie Murrays epochaler McLaren F1 aus dem Jahr 1992.

Trotz – oder auch wegen - dieser für ihn unerfreulichen Episode mit dem Projekt SLR hat Murray bis heute unverbrüchlich an seiner Leichtbau-Philosophie festgehalten. Aktuellstes Beispiel dafür ist der vor kurzem vorgestellte T.33 Spider seiner eigenen Firma Gordon Murray Automotive.

Dieser Zweisitzer mit abnehmbarem Dach bringt es trotz eines mächtigen Vierliter-V12-Motors auf ein vergleichsweise zartes Leergewicht von nur 1.108 kg.

Womit Murray den Nerv der Kundschaft getroffen haben dürfte. Deren Andrang legte nämlich gleich nach dem Öffnen der Bestellseite in der Osterwoche den Server der Website von Gordon Murray Automotive wegen Überlastung für drei Tage lahm.

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