Prof. Eichlseder: „Das löst Kopfschütteln aus“
Die Autobranche ist im Umbruch. Was E-Mobilität und Robotisierung für Motorenentwickler, aber auch für die Kunden bedeuten, erklärt Prof. Helmut Eichlseder, Institutsleiter an der TU Graz und einer der Leiter der Motorentagung im Herbst in Graz, im Motor-KURIER-Gespräch.
KURIER: Der Verbrennungsmotor im Pkw gilt für viele als Auslaufmodell. Wie hat sich das auf die Anmeldungen für die Motorentagung in Graz ausgewirkt?
Helmut Eichlseder: Das Interesse war ungebrochen. Ich befürchtete ein geringeres Interesse, aber wir hatten heuer die zweithöchste Teilnehmerzahl in 30 Jahren, 260 Teilnehmer aus 16 Ländern.
Wie ist die Stimmung unter den Motorenexperten?
Ein Tenor ist, dass die öffentliche Diskussion über Verbrennungsmotoren teilweise sehr unsachlich und faktenbefreit ist. Das löst Kopfschütteln aus. Als absolut nicht realistisch werden von den Experten, zu denen auch Gesamtfahrzeug- und Elektronikentwickler gehörten, etwa Aussagen wahrgenommen, dass ab 2025 oder 2030 Verbrennungsmotoren im Pkw gänzlich verboten werden.
In der Öffentlichkeit wird auch diskutiert, dass Verbrennungsmotoren maximal noch für Schwellenländer und für den Schwerverkehr interessant sind.
Die Anwendung von Batterie-elektrischer Mobilität ist in vielen Bereichen schlicht nicht denkbar, etwa im Lkw-Verkehr, bei Bau- und Arbeitsmaschinen, landwirtschaftlichen Geräten sowie Schiffen. Wenn man etwa Energie für einen Traktor mit 40 kW, das entspricht einer mittleren Leistung z.B. beim Pflügen, zuführen will, schafft man mit einer Steckdose zu Hause 15 kW. Heißt, wenn man eine Minute lädt, kann man danach 20 Sekunden fahren. Eine sehr gute Alternative im Hochlastbereich ist die Brennstoffzelle, weil sie mit dem Wasserstoff kurze Tankzeiten und eine hohe Energiedichte bietet, Wasserstoff lässt sich zudem künftig regenerativ erzeugen. Er ist ein attraktiver Speicher für überschüssigen Ökostrom. Aber noch fehlt hier die Infrastruktur. Wann die Kosten wettbewerbsfähig sein werden, wage ich nicht zu sagen. Für Pkw gibt’s sicher Bereiche, wo Batterie-elektrischer Antrieb Sinn macht. Nicht zu verwechseln ist er mit der Elektrifizierung, die eigentlich schon da ist.
Als Nachteil der Brennstoffzelle gilt neben der fehlenden Wasserstoffinfrastruktur und den hohen Zellenkosten auch der geringere Wirkungsgrad im Vergleich zum Batterie-elektrischen Antrieb.
Vom Wirkungsgrad her ist der Batterie-elektrische Antrieb unerreicht, aber nur vom Tank zum Rad. Die Energiebereitstellung bis zum Tank ist regional ganz unterschiedlich. Die eine einzige Lösung, die alles abdeckt, wird es nicht geben.
Als Alternative zum Batterie-elektrischen Antrieb sehen viele CO2-neutrale Kraftstoffe. Zu Recht?
Diese Kraftstoffe bieten eine Riesenchance. In zweierlei Hinsicht: Einmal durch ihre gestaltbaren Eigenschaften, die helfen, die Verbrennung zu verbessern und so den Schadstoffausstoß zu mindern. Da ist OME (Oxymethylenether) ein idealer Dieselersatz. Die noch wichtigere Eigenschaft ist die Nachhaltigkeit, die CO2-Minderung durch diese Kraftstoffe. Das gilt vor allem, wenn sie mit erzeugt werden, das an der Quelle, wo es sehr konzentriert auftritt wie etwa bei Stahlwerken, entnommen wird. Das ist viel effizienter, als aus der Luft abzutrennen. Dann kann man auch so die CO2-Ziele erreichen, die notwendig sind für das 2 Grad Ziel der UNO (Anm. Erwärmung bis 2050, um das Ansteigen des Meeresspiegels zu begrenzen). Ein anderes Beispiel ist Erdgas, derzeit ein Ladenhüter. Dabei könnte man mit Erdgas zu geringen Kosten in kurzer Zeit so viel bewegen wie mit keiner anderen Technik. Die 20 % CO2-Einsparung, die man mit aufwendiger Hybridisierung schafft, gelingen mit Erdgas allein locker, zu viel geringeren Kosten.
Wann wird es eine Gesamtenergiebilanz für die einzelnen Antriebe geben, derzeit wird nur der Teil vom Tank zum Rad beachtet.
Bei den Politikern konnte man bis vor Kurzem kein Umdenken in Europa feststellen. Aber der Anstoß zum Umdenken könnte aus den USA kommen, wo etwa für die Bewertung von Batterie-elektrischen Autos der Strommix für die CO2-Bilanz herangezogen wird.
Ein Trend scheint das gegenseitige Lernen etwa der Pkw- von den Großmotoren und umgekehrt zu sein.
Traditionell gibt es immer wieder Disziplinen, wo eine Motorenkategorie quasi die Nase vorne hat. Die Motorräder waren etwa immer viel mutiger bei neuen Technologien. Die homogene Selbstzündung gab es dort schon vor über 60 Jahren.
Die Antriebsseite bei Pkw bleibt bunt?
Ganz sicher. Mit den synthetischen Kraftstoffen gibt es auch eine rückwärts kompatible Lösung, heißt, sie können vom bestehenden Fuhrpark verwendet werden und verbessern sofort die CO2- und Umweltbilanz.
Woran soll sich ein verunsicherter Autofahrer orientieren?
Abhängig von den Nutzerprofilen wird er eine unterschiedliche Technologie wählen. Wenn jemand nur urban unterwegs ist, ist das E-Fahrzeug eine attraktive Lösung. Für Vielfahrer wird der Diesel nach wie vor die günstigste Variante sein. Auch aus CO2-Sicht.
Was waren die Höhepunkte der Motorentagung?
Sicher war auf der Pkw-Seite die Wassereinspritzung (Anm. zur Reduktion von Verbrauch und Stickoxidemissionen) ein großes Thema, das nicht zuletzt dem RDE geschuldet ist. RDE-Entwicklung ist ein massiver Technologietreiber für Pkw. Weiters geht ein Trend weiter zur Elektrifizierung. Der Partikelfilter für Benziner wird kommen.
Sollen junge Menschen noch Maschinenbau studieren?
Auf jeden Fall. Bei jedem Roboter braucht man das dort erworbene Wissen. Das ist Grundwerkzeug. Natürlich kommt mehr Elektronik dazu. Die Grundtugenden sind aber „rostfrei“.
Zur Person
Univ.-Prof. DI Dr. techn. Helmut Eichlseder, 58, übernahm im Oktober 2002 die Leitung des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik an der TU Graz von Univ.-Prof. Rudolf Pischinger. Vor seiner Berufung an die TU Graz arbeitete der gebürtige Oberösterreicher in der BMW-Motorenentwicklung, zu Beginn im Bereich Diesel in Steyr, später in München als Leiter der Abteilungen „Alternative Brennverfahren“ und „Benzin-Direkteinspritzung“. Der passionierte Sportler hält mehr als 30 Patente, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Kommentar
Warum der CO2-Ausstoß nicht nur von steigendem Komfort nach oben getrieben wird.
Rund um den Klimagipfel in Bonn lohnt sich ein Blick auf den Stand des Treibhausgas-Ausstoßes in Österreich. Er zeigt, dass, anders als oft behauptet, Österreich kein Vorreiter im Kampf gegen Treibhausgase mehr ist. Europa generell nicht.
Und das wird sich bei einem der Hauptemittenten, dem Verkehr, angesichts der zwei großen Trends, Digitalisierung und Automatisierung, kaum ändern, allen Heilsversprechen zum Trotz. Auf dem A3PS-Kongress des Innovationsministeriums war etwa auf Nachfrage zu hören, dass die Automatisierung des Fahrens den Energieverbrauch eines Pkw um 10 kWh erhöht. Das entspricht dem Verbrauch eines Pkw im Stadtverkehr. Dazu kommen noch etliche kWh für die damit zusammenhängende Digitalisierung samt Riesenrechner.
Dem Kunden wird die Automatisierung als Komfortgewinn „verkauft“, Konzerne wie Uber & Co. sowie große Frächter dagegen erwarten sich Kosteneinsparungen in Milliardenhöhe, wenn sie für Fahrzeuge keine Lenker mehr bezahlen müssen. So sind selbst diese „kostensensiblen“ Branchen bereit, den hohen Mehrpreis solcher Systeme zu berappen.
Der Mehrpreis für die Umwelt ist da kein Thema. Der Verkehr sollte jedoch nicht den Weg der Landwirtschaft gehen, wo die Effizienzsteigerung durch die Mechanisierung mit einem hohen Energieeinsatz erkauft wurde. Vor 100 Jahren war der Energieertrag höher als der Einsatz, heute ist es umgekehrt.
Um den Verkehr wirklich auf CO2-Reduktion zu trimmen, muss endlich akzeptiert werden, dass auch Elektronik Energie verbraucht. Künftig wohl mehr als die Motoren.
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