Renault R5: Aus dem Keller ins Rampenlicht

Renault R5: Aus dem Keller ins Rampenlicht
Design-Chef Laurens van den Acker über den ungewöhnlichen Weg des R5 E-Tech Electric von der Designstudie zum Serienauto. Und warum er bei der Nutzung von KI keine Tabus kennt

Eigentlich war der elektrische R5 schon weg vom Fenster, erzählt Renault-Design-Chef Laurens van den Acker.

Als er 2019 der Geschäftsführung die Studie eines neuen kleinen Modells vorstellte, gingen die Daumen nach unten „Renault hatte damals kein Geld für zwei elektrische Kleinwagen. Also haben wir einen neuen R5 entworfen, der zwischen den beiden zu ersetzenden Elektromodellen Twingo und Zoe positioniert war“, erinnert sich van den Acker an die interne Präsentation. „Das damalige Management fand die Studie zwar nett, sah aber kein Geschäftsmodell dafür.“

Worauf die Designtruppe wieder abzog und auf das Prinzip Hoffnung setzte. Am Horizont der wirtschaftlichen Misere tauchte nämlich schon der Name des damaligen Seat-Chefs Luca de Meo als Renault-Troubleshooter auf.

Also stellte man die R5-Studie „wie einen guten Wein“ in den Keller und wartete auf den Amtsantritt des neuen Chefs. Als sich der schließlich im Herbst 2019 einen ersten Eindruck davon verschaffen wollte, was seine neue Firma so in petto hatte, „haben wir den R5 so aufgestellt, dass er daran nicht vorbeikonnte“, schmunzelt van den Acker über den Schachzug seiner Designer. Der seine Wirkung nicht verfehlte.

Letztlich ließ de Meo die R5-Studie nicht nur wieder aus dem Keller holen, sondern setzte auch einen Prozess in Gang, von dem Designer sonst nur träumen können.

Üblicherweise werden deren Studien zwar als Ausgangsbasis eines neuen Modells in den Entwicklungsprozess übernommen, dann aber von den Technikern und Kaufleuten nach deren Kriterien so weit verändert, dass das verabschiedete Serienmodell kaum mehr wiederzuerkennen ist.

Machtwort vom Chef

Nicht so beim R5. Hier hatte die Entwicklungsabteilung den klaren Auftrag, an der Designstudie bis zur Serienreife möglichst wenig zu verändern. „Ohne Luca wäre das nicht gegangen“, ist van den Acker dem neuen Chef dankbar: „Wenn der CEO sagt, so machen wir das und ändert nichts daran, dann hat das eine andere Wirkung, als wenn ich sage, wir sollten das so machen.“

Dass die Truppe rund um Entwicklungschef Gilles le Borgne „wahre Wunder vollbracht hat“, um etwa Details wie die Beibehaltung der für ein 3,92 m kurzes Auto sehr großen 18-Zoll-Räder möglich zu machen, rechnet ihnen der Designer hoch an. Und verweist dabei auch darauf, dass „wir ohne Elektro-Plattform das Auto nie so hinstellen hätten können.“

Denn nur durch den geringeren Platzbedarf eines E-Motors ist es möglich, so große Räder direkt an den Ecken der Karosserie zu platzieren, ohne den Einschlag zu beeinträchtigen. „Wäre ein Verbrennungsmotor notwendig gewesen, hätten die Überhänge der Karosserie zwangsläufig um rund 150 mm länger sein müssen,“ plaudert er aus der Schule.

Und nimmt damit auch gleich allen den Wind aus den Segeln, die mit einer eventuell nachgelieferten heißen Benziner-Variante im Geiste des ikonischen R5 Turbo spekulieren.

Neben der internen Order, diesmal die Designer an die Spitze zu stellen, griff de Meo, der Erfahrungen im Management von Toyota, Fiat und im VW-Konzern gesammelt hat, noch zu einem psychologischen Kniff, um das Projekt R5 abzusichern. „Wir haben die Studie schon 2021 erstmals öffentlich gezeigt, was ich für viel zu früh gehalten habe“, erinnert sich van den Acker. „Aber Luca hat gesagt, das ist kein Problem, weil das ein R5 ist. Den kann niemand kopieren.“

Entscheidender Nachsatz: „Und wenn wir ihn jetzt schon zeigen, dann müssen wir ihn auch machen.“ Das habe allen Beteiligten geholfen, weil man nicht mehr zurückkonnte. „Auch die positiven Reaktionen auf die Studie haben die Zweifel beseitigt, die im Laufe so eines Entwicklungsprozesses sonst immer aufkommen“, erinnert sich van den Acker.

Hatte man den R5 also in drei Jahren zur Serienreife gebracht, so sei dieser Prozess in Hinkunft in nur zwei Jahren zu bewältigen, gibt er Einblick in die rasante Entwicklung in der Autobranche.

Karriere
Der 1965 in den Niederlanden geborene Laurens van den Acker startete seine Karriere nach dem Studium an der Technischen Universität in Delft als Designer bei Audi.
Von dort wechselte er zunächst zu Ford in die USA, um später  als Designchef von Mazda nach Japan zu gehen

Design-Chef 
2009 kam der Ruf der Renault-Group in Europa, wo er Chef der Designabteilung  wurde. Die Erneuerung  der  gesamten Modellpalette ab 2012 trägt seine Handschrift. Seit Februar 2023 ist er Chief Design Officer und damit verantwortlich für die Marken Renault, Dacia, Alpine und Mobilize

KI als Zeitverschwendung

Eine für die Bewältigung dieser Herausforderung nutzbare Technologie sei KI (Künstliche Intelligenz), die seine Designer schon jetzt als Teil bestimmter Softwareprogramme nutzen. „Da haben wir keine Tabus. Vor allem in Bereichen, die jetzt sehr viel Zeit verschwenden, könnte uns KI theoretisch helfen“, bleibt van den Acker dennoch vorsichtig eingedenk der ersten Erfahrungen mit generativem Design zur Visualisierung von Daten. „Das kann sehr schnell in Richtung eines Überangebots gehen. Da hast du dann mehr als 200 Vorschläge, aber 99 Prozent davon sind nicht zu gebrauchen“, bringt er das Problem auf den Punkt.

Nüchterner Nachsatz: „Du kannst damit auch viel Zeit verlieren.“

Letztlich werde aber selbst bei verbesserter KI-Software die Entscheidung darüber, welcher Entwurf gut und welcher schlecht ist, immer noch von einem Menschen zu treffen sein.

Kommentare