Rallye-Legende Walter Röhrl: „Elektroquirl sind eine Spinnerei"
Walter Röhrl ist eine Legende. Und eine Erscheinung, wenn der 1,93-Meter-Mann an der Rennstrecke steht. Mit kundigem Blick, immer bescheiden. Legendär sind seine geraden Sprüche. Wir treffen den besten Rallyefahrer aller Zeiten in Schweden, wo im Sommer der Porsche Cayenne Turbo GT vorgestellt wurde. Röhrls Urteil: „Ein SUV mit einer Agilität wie von einem Sportwagen. Glaubt man nicht, dass so etwas möglich ist.“ Bei Verbrennermotoren kommt er gerne ins Schwärmen.
KURIER: Herr Röhrl, Ihr erstes Auto war einst auch ein Porsche.
Walter Röhrl: Ein 356er. Ich bin so ein nicht geplantes Nachkriegskind. Die Schwester 14, der Bruder elf Jahre älter. Er ist mit 21 Porsche gefahren und hat mich immer mitnehmen müssen. Er ist dann leider in so einem Porsche tödlich verunglückt. Was er gesagt hat, hat sich bei mir als Elfjähriger festgesetzt: ’Kauf dir erst ein Auto, wenn du dir ein g’scheites kaufen kannst. Und ein g’scheites, das ist nur ein Porsche.“’ Ich hab fortan alles Geld gespart.
Sie haben heute acht alte Porsche und zwei neue 911.
Dafür hab ich extra eine Garage gebaut. Ich habe oft ein schlechtes Gewissen, weil da so viele Autos rumstehen. Ich fahre sie übrigens alle nach Plan: Im Sommer muss jedes Auto einmal im Monat gefahren werden. Bei Schönwetter. Und Kanaldeckeln weiche ich aus. Fahren mit den Alten ist Autofahren pur.
Und Ihr neuestes Auto?
Mein neuester Alter ist aus 1995. Ein 993er-Porsche, das geht noch mit der Elektronik, das lasse ich gerade noch durchgehen. Mein Ältester ist übrigens Baujahr 1965. Das ist einfach schönes Autofahren. Mit Selbstverantwortung und gewisser sittlicher Reife geht das wunderbar.
Heute haben Autos viel Technik. Muss man überhaupt noch Autofahren können?
Es ist leider so, dass die Maschine immer wichtiger wird. Man muss nichts mehr können – heute wird man gefahren. Wenn Leute mit mir auf der Rennstrecke fahren und ich denen die Elektronik ausschalten würde, verunglücken sie garantiert in der nächsten Runde.
Da hilft die Technik. Das beeindruckt Sie nicht?
Doch. Die vergangenen fünf Jahre waren technisch ein Riesensprung nach oben. Aber ich bevorzuge es anders.
Technik kommt dem normalen Autofahrer meist zugute.
Stimmt. Für die meisten ist es ein Segen. Das sieht man auch an den abnehmenden Unfällen und Verkehrstoten.
Sie testen auch öftes die neuen Technologien.
Ja. Ich sag’ dann immer: Ich bauch’ keine Schnellfahrverhinderungsanlage im Auto. Als ich mit dem Spurhalteassistenten Probe gefahren bin, war mein Urteil: funktioniert, aber ist ein weiterer Beitrag zur Verblödung der Menschheit. Die Ingenieure sind schockiert, wenn ich so was sage.
Die Entwicklungen haben ein Ziel: autonomes Fahren.
Wenn ich dieses Wort nur höre. Da sollen die Leut’ lieber mit dem Bus oder mit der Bahn fahren. Solange ich es gut kann, werde ich es genießen, dass ich der Chef im Auto bin. Ich habe ja auch lange genug geübt.
Wird das autonome Fahren jemals Realität?
Das wird nicht locker lassen. Damit ist die Diskussion um Geschwindigkeitsbegrenzungen auch erledigt. Man will alles mehr unter Kontrolle kriegen. Da habe ich heute schon einen Horror davor. Dieser Kelch geht ganz bestimmt an mir vorbei.
Im Verbrennerauto sind über hundert Jahre entwickelte Maschinen verbaut. Im E-Auto findet man eher wenig Motorkunst.
Ich lebe nicht mit dem Gedanken, dass das wirklich alles so kommen wird. In der Rallye sind wir 40 Stunden ohne Pause gefahren. Das war eine Prüfung der Zuverlässigkeit von Mensch und Material. Heute ist es eine Spinnerei, mit so einem Elektroquirl zu fahren. Außerdem gehört ein gewisser Sound zum Auto. Die Formel-E ist für mich ein Graus. Da muss ich schnell den Fernseher umschalten.
Die Politik hat aber entschieden, dass man Verbrennermotoren nicht mehr will.
Das verurteile ich. Ich bin überzeugt, das E-Auto hat eine gute Seite. Es ist auch angebracht, dass wir uns etwas für die Umwelt überlegen. Aber diese Ignoranz der Politik, das ganze Geld nur in Richtung Elektro zu geben, das macht mich rasend. Man sollte in mehreren Schienen denken. Es ist schade, dass man so verbohrt ist in nur eine Idee.
Wird der Verbrenner ein Fall fürs Museum?
Das glaube ich nicht. Man wird synthetische Kraftstoffe auf den Markt bringen. Wir haben immerhin 1,3 Milliarden Autos auf der Welt. Die kann man ja nicht einfach verschrotten und darauf warten, bis stattdessen die E-Autos verfügbar sind.
Kommt Ihnen je ein E-Auto in die Garage?
Momentan nicht. Das E-Auto ist perfekt für die Stadt – wenn jemand in Wien täglich zehn Kilometer fährt und am Wochenende nach Grinzing einen Ausflug macht. Aber solange ich gesunde Beine habe, kann ich diese Wege gehen oder mit dem Rad fahren. Das mache ich seit 30 Jahren so. In guten Jahren bin ich 12.000 Kilometer Rad gefahren. Ich bin ja auch nicht jetzt erst draufgekommen, dass man auf die Welt aufpassen muss.
Sie fahren aber schon E-Autos zum Testen.
Freilich. Bei der Entwicklung vom Taycan war ich dabei. Ich finde auch, das ist wunderbar. Bloß: Es schränkt meine Lebensfreiheit ein und darum will ich es nicht. Wenn ich morgen heimkomme, setze ich mich in mein Auto und fahre nach Hinterglemm. 330 Kilometer. Da müsste ich mit einem E-Auto langsam fahren. Oder zum Laden stehen bleiben. Aber: Ich bin in meinem Leben neun Millionen Kilometer gefahren und noch nie länger als fünf Minuten bei der Tankstelle gewesen. Und das bleibt auch so.
Leben
Geboren 1947 in Regensburg. In seiner Profikarriere von 1973 bis 1987 gewann er zwei FIA-Weltmeisterschaften, eine Europameisterschaft, 14 WM-Läufe und vier Mal die Rallye Monte-Carlo. „Einmal die Rallye Monte-Carlo zu gewinnen, das war mein großes Lebensziel“. Röhrl wuchs als jüngstes von drei Kindern nach der Trennung der Eltern bei der Mutter auf. Ab 16 absolvierte er eine Ausbildung im Bischöflichen Ordinariat, mit 18 Jahren wurde er Fahrer eines Verwaltungsbeamten und fuhr 120.000 km/Jahr.
Heute
Seit 1993 ist Röhrl als Testfahrer und Repräsentant für Porsche tätig.
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