Wie radikal sich der neue Renault Scenic vom Vorgänger absetzt
Der Ort ist mit Bedacht gewählt. Dass Renault die Weltpremiere eines wichtigen neuen Modells auf der Hausmesse der deutschen Konkurrenten inszeniert, hat schon vor zwei Jahren gut funktioniert. War es damals der elektrische Megane, der damit in den Mittelpunkt des medialen Interesses auf der erstmals in München veranstalteten IAA rückte, so soll dies heuer dem neuen Scenic gelingen.
Das Potenzial dazu hat die neue Generation jenes Renault, der vor 27 Jahren die Gattung der kompakten MPV in Europa begründete. Auch wenn der neue Scenic mit seinen Vorgängern nur mehr den Namen gemeinsam hat. Die Form der Karosserie trägt nämlich, wie schon beim großen Bruder Espace der Tatsache Rechnung, dass die Zeiten von Minivans in Europa vorbei sind.
Die Kundschaft will derzeit bekanntlich vor allem Autos, die dem herrschenden Trend zum SUV folgen. Also werden sie von den Franzosen - wie schon beim Espace - mit dem neuen Scenic nun auch in kompakter Form geliefert.
Anders, als beim großen Espace, hat sich Renault aber getraut, den Scenic bereits als reines Elektroauto zu konzipieren. Dabei greift man auf die mit Nissan gemeinsam entwickelte technische Plattform zurück, auf der etwa auch der Megane aufbaut.
Über dem Megane positioniert
Den elektrischen Scenic als Megane mit mehr Platz zu sehen, greift dennoch zu kurz. So ist der Scenic einerseits von den Dimensionen her über dem Megane angesiedelt. Mit 1,86 m ist er nicht nur 7 cm breiter, er überragt ihn auch in der Länge (4,47 m zu 4,21 m) und Höhe (1,57 m zu 1,50 m) deutlich.
Anderseits bietet der Scenic neben der auch im Megane erhältlichen Batterie mit 60 kWh (in Kombination mit einem 125 kW / 170 PS leistenden E-Motor) eine stärkere Variante. Die Topversion vereint einen 160 kW / 220 PS leistenden Motor mit einer 87 kWh-Batterie.
In dieser Konfiguration steht theoretisch eine Normreichweite nach WLTP von bis zu 620 km zur Verfügung. Womit Renault hofft, alle Skepsis bezüglich Alltags- und Reisetauglichkeit des Neuen gleich im Keim ersticken zu können.
Die angestammte Scenic-Kundschaft soll vor allem mit den Kernkompetenzen eines kompakten Raumfahrzeugs – ob als MPV oder SUV – bei der Stange gehalten werden. So bietet der Neue ob seiner Elektroauto-Architektur üppige Platzverhältnisse im Passagierabteil (unter anderem über 3 cm mehr Kopffreiheit im Fond als beim Megane) und ein Stauvolumen von 545 bis 1.670 l im variablen Kofferraum.
Hohe Ladekante
Positiv dabei: Die Rückbank bietet eine Durchlademöglichkeit in der Mittelarmlehne.
Negativ: Die hohe Ladekante wurde vom Megane übernommen. Was gut für die Versicherungseinstufung in Deutschland ist. Aber schlecht für die Beladung. Zumal bei einer Fahrzeuggattung, deren Kofferraum in der Praxis häufig genutzt wird.
Ob darüber die von Jean-Michel Jarre komponierten Töne der Fußgänger-Warnung und der verschiedenen Stimmungs-Modi im Innenraum hinwegtrösten können, wird die Anwendung zeigen.
Erfreulich dürfte sich für die Kundschaft jedenfalls auswirken, dass sich die Renault-Entwickler einiger Kritikpunkte aus der Praxis mit dem Megane angenommen haben, um beim Scenic vom Beginn an Verbesserungen umzusetzen. So wurden etwa die Außenspiegel geändert, um weniger Windgeräusche zu erzeugen.
Worauf Renault-Chef Fabrice Cambolive übrigens besonders stolz ist: Der neue Scenic besteht zu 24 % aus recyceltem Material und ist selbst – inklusive der Batterien – zu 90 % recyclebar.
Ausblick: Wer angesichts seiner Größe und der Ausrichtung als reines Elektroauto in der Renault-Familienaufstellung noch Platz zwischen dem Scenic und dem gerade aufgefrischten variabler motorisierten Captur sieht, dürfte nicht ganz falsch liegen.
Bei uns soll der Scenic ab dem zweiten Quartal 2024 verfügbar sein.
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