Essen im Auto - No Go oder Psychohygiene? Das sagt die Forschung
Eine Zuschrift erreicht mich mit folgendem Problem: Frau A hat sich ein SUV zugelegt. Einen Stromer - man pflegt nämlich einen sparsamen, möglichst nachhaltigen Familienbudget-Ansatz. So weit so gut, das Ding fährt auch wunderbar.
Was man bei der Anschaffung des nicht ganz günstigen E-Autos nicht erwartet hat: Dieser Wagen revolutioniert nicht nur die Art des Betankens, sondern nebenbei die Essgewohnheiten der Familie.
Tochter Eins ist nämlich derzeit vegan unterwegs, Mutter und Tochter Zwei vegetarisch. Und die Kombination "E-Tankstelle + Veganes-Restaurant" ist in der heimischen Provinz - Überraschung! - selten wie ein Lotto-Jackpot.
Die derzeitige Lösung: Alle Ernährungsgrundsätze werden bei längeren Strecken über Bord geworfen. Das Lokal zum Essen wird per Mutterbeschluss nicht mehr nach Essenpräferenz oder gar Essenszeiten ausgewählt, sondern nach E-Tankstellenverfügbarkeit. Man muss eben Prioritäten setzen. Dennoch: Dass bei Autofahrten der Grantpegel deutlich gestiegen ist, macht die Freude über den verkleinerten CO2-Fußabdruck etwas zunichte.
Aber wir wollen fair sein. Das emotional sensible Thema "Essen auf Autofahrten" kennen auch all jene Eltern, die noch mit Diesel oder Benzin unterwegs sind.
Wer putzt das Auto?
Das Thema "Essen auf Autofahrten" führt nämlich meist schnell zum Thema "Essen im Auto". Und der Frage, ob Kinder im Auto essen dürfen. Generell wäre es natürlich schön, wenn der Wagen Essens- und damit Fleckfrei bleibt. Und es gibt auch Eltern, die hier ganz konsequent bei ihrer Linie - kein Essen im Auto - bleiben. Aber es gibt auch Eltern, die den Begriff "hangry" kennen.
„Hangry“ lautet das schöne neudeutsche Wort für eine Art Magen-Hirn-Verbindung, die bei unzureichender Magenfüllung dazu führt, dass die Stimmung schnell kippen kann. Der pseudopsychologische Begriff verbindet die Wörter hungry und angry und bedeutet so viel wie: hungrig und folglich wütend. Auf längeren Autofahrten keine gute Mischung, wie jeder weiß, der mit Kindern unterwegs ist.
Auch viele Erwachsene empfinden negative Emotionen, wenn sie hungrig sind. Man weiß etwa, dass Menschen ihre Ehepartner mehr ablehnen, wenn ihr Blutzucker niedrig ist. Und dass man zu moralisch deutlich härteren Urteilen neigt, wenn man hungrig ist.
Studien belegen: Hungrig sein kann sich auf die Stimmung schlagen
Doch die psychologischen Mechanismen, die solchen Zuständen zugrunde liegen, sind noch wenig erforscht. Forscher der University of North Carolina haben diese Wissenslücke gefüllt. Ihre klare Antwort auf die Frage, ob es tatsächlich der Hunger ist, der für die schlechte Stimmung sorgt lautet: Es kommt darauf an. Hunger, so schreiben sie, hat durchaus das Potenzial, sich negativ auf affektive Urteile auszuwirken. Aber die Ergebnisse zeigen auch deutlich, dass dies nicht automatisch sein muss. Wichtiger noch ist der Kontext ebenso wie der Fokus der Aufmerksamkeit der hungrigen Person.
In der Praxis heißt das: Ist man hungrig und steht im Stau, dann wird eine sonst vielleicht ertragbare Wartezeit nervenzährend.
Ist man hungrig und ein Teenager und steht im Stau, dann werden die sonst vielleicht ertragbaren Eltern die ultimative Geduldsprobe.
Und ist man hungrig und Mutter und steht mit hungrigen Teenagern im Stau, dann ...
Papierfetzen, lose Taschentücher, Schachteln - in von Kindern benutzten Autos liegt so einiges herum.
So bleibt das Auto sauber - die besten Tipps:
1) Auch wenn - benutzte Taschentücher - Virenschleudern sein mögen: Desinfektionsmittel braucht man laut ÖAMTC nicht. Herkömmliche Reinigungsmittel sind vollkommen ausreichend.
2) Wie mit den Kinder sollte man auch beim Putzen nicht zu scharf sein: Putzmittel sollten möglichst mild sein, um die Oberflächen nicht zu beschädigen.
3) Lenkrad, Schalthebel, Armaturen, Sicherheitsgurt, Innenspiegel sowie Türgriffe und auch der Tankdeckel sowie evtl. auch die Öffnung des Kofferraums sollten gereinigt werden. Bei der Reinigung von Touchscreens sollte vorab unbedingt zur Gebrauchsanleitung gegriffen werden.
4) Den Kindern eine Art tragbaren Mistkübel zur Verfügung zu stellen - im Notfall ein Hundesackerl - erzieht dazu, Müll nicht auf den Boden fallen zu lassen.
5) Gemeinsam: Wer den Müll nicht nur macht, sondern auch aufheben muss, macht meist weniger davon.
.... dann sollte man wohl den Nerven zuliebe ganz pragmatisch den wissenschaftlichen Erkenntnissen Folge leisten und: Essen.
Dürfen Kinder im Auto essen?
Und wenn es eben sein muss: Im Auto essen.
Und wenn das einen der Mitfahrer aus Sauberheitsgründen wirklich stört (wir kennen so jemanden) dann kann man ihn meist demokratisch überstimmen. (Wir haben das probiert)
Und wenn jemand kleckert, dann kann der das Auto ja anschließend putzen. (Auch hier: Wir haben das probiert)
Und wenn jemand vor dem Wurstsemmerl graust, dann gibt es eben Karotten. (Siehe oben)
Übrigens 1: Der pubertäre Wachstumspurt samt Zusatzhunger ist eine Tatsache. Zwischen dem 10. und dem 18. Lebensjahr nimmt das Gewicht der Heranwachsenden um 75 bis 100 Prozent zu.
Übrigens 2: Vordenker Henrik Fisker hat das Thema Essen im Auto auch für Eltern mitgedacht und zum Erstaunen vieler das Taco-Tablett auf der Fahrerseite des Elektro-SUV Fisker Ocean vorgestellt. In einem Video-Posting auf Social Media sagte er: "Wir alle mögen es, ab und zu einen Burger oder einen Taco zu essen und das im Auto. Deshalb haben wir das Taco-Tray entwickelt. Sie können so eine nette kleine Mahlzeit zu sich nehmen. Voila, direkt aus Paris, ganz einfach!"
Da bekommt das Wort Nervennahrung doch eine ganz andere Bedeutung.
Teresa Richter-Trummer ist eigentlich am liebsten mit eBike oder Vespa unterwegs - fährt Hund und Kindern zu Liebe aber gerne auch Auto und Zug. Für größere Partien darf sie sogar ans LKW-Steuer. Gerne würde sie Motorboote lenken, aber das kommt erst.
Haben Sie Fragen zur Mobilität mit Kindern?
Die Motor-Journalistin ist studierte Entwicklungs-Psychologin und geht gerne darauf ein. teresa.richter-trummer@kurier.at
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