Design oder Gefahr: Droht das Ende der versenkbaren Türgriffe?

Zusammenfassung
- Versenkbare Türgriffe gelten als modernes Designelement und verbessern die Aerodynamik, bringen aber erhebliche Sicherheitsrisiken bei Stromausfall oder Unfällen mit sich.
- USA und China prüfen regulatorische Maßnahmen oder Verbote für Fahrzeuge mit rein elektrisch versenkbaren Türgriffen ohne zugängliche Notentriegelung.
- Im Innenraum sind mechanische Notentriegelungen oft schwer zugänglich, was in Notfällen die Rettung erschwert; Tesla arbeitet an einer intuitiveren Lösung.
Elektrisch versenkbare Türgriffe, die sich automatisch ausfahren, wenn sich der Fahrer nähert oder die Tür entriegelt wird, gelten als modernes Designelement und sollen die Aerodynamik leicht verbessern. Derartige Systeme sind bei zahlreichen aktuellen und noch geplanten Elektro-Modellen chinesischer, europäischer sowie amerikanischer Hersteller im Einsatz. Anders als bei mechanischen Türgriffen, die sich von außen heraushebeln lassen, ist bei diesen Modellen die elektrische Funktion zwingend erforderlich, damit die Griffe überhaupt ausfahren.
Sicherheit im Fokus
Aktuell sorgen Türgriffe dieser Art für erhebliche Sicherheitsbedenken. Fällt das 12-Volt-Netz beispielsweise nach einem Unfall aus, funktionieren die Griffe nicht mehr und können weder automatisch ausfahren noch geöffnet werden, was insbesondere bei Unfällen, Stromausfällen oder extremen Witterungsbedingungen, bei denen die Griffe im Ernstfall in der Tür festfrieren können, Rettungseinsätze erschwert. In Paniksituationen kann es zudem für Insassen schwierig sein, die Türen zu öffnen, wenn die mechanische Notentriegelung nur eingeschränkt zugänglich ist oder gar fehlt, berichtet Focus.
Regulatorische Reaktionen
In den Vereinigten Staaten untersucht die Verkehrsbehörde National Highway Traffic Safety Administration NHTSA derzeit, ob bestimmte elektrisch versenkbare Türgriffe ein ernstzunehmendes Sicherheitsrisiko darstellen. Seit 2018 sind bei der US-Verkehrssicherheitsbehörde mehr als 140 Meldungen über blockierte oder klemmende Türen von Tesla-Modellen eingegangen, berichtet Business Insider. In mehreren Fällen waren Insassen in den Fahrzeugen eingeschlossen, weil sich die versenkbaren Griffe von außen nicht mehr betätigen ließen.
Besonders schwer wiegen neun dokumentierte Vorfälle, bei denen Kinder auf der Rückbank eingeschlossen waren, während die Eltern die Türen von außen nicht öffnen konnten. Die innenliegenden manuellen Hebel oder Freigabemechanismen existieren zwar, doch befinden sie sich an Orten, die Insassen nicht ohne Anleitung oder im Notfall kaum erreichen konnten. Die NHTSA konzentriert ihre Untersuchung derzeit auf das Tesla Model Y, betonte aber, dass eine Ausweitung auf weitere Modelle nicht ausgeschlossen sei. Die Erkenntnisse sind Teil der Untersuchung der NHTSA unter dem Aktenzeichen PE25010.
In Deutschland sorgte ein ähnlicher Fall erst kürzlich für Aufsehen: Am 7. September 2025 ereignete sich bei Dortmund ein Unfall, bei dem ein 43-jähriger Mann und zwei neunjährige Kinder in einem brennenden Tesla ums Leben kamen. Ein Ersthelfer, der das Unglück beobachtete, versuchte vergeblich, die Türen des Fahrzeugs zu öffnen, um die Insassen zu retten. Die versenkbaren Türgriffe versagten aufgrund des Stromausfalls durch das entstandene Feuer.

Mechanisch ausklappbare Türgriffe, wie hier bei Smart, sind nur bedingt von den Untersuchungen betroffen.
In China, wo Modelle neuer Marken im Rekordtempo auf den Markt kommen und mittlerweile fast ausschließlich auf elektrische Türgriffe setzen, wächst der politische Druck ebenfalls. Die Regierung plant, Fahrzeuge mit vollständig versenkbaren Türgriffen ohne zugängliche mechanische Notöffnung ab 2027 zu verbieten. Halb versenkbare sowie herkömmliche Türgriffe sollen weiterhin erlaubt sein, jedoch über eine funktionierende Backup-Lösung verfügen, die für Rettungskräfte leicht zugänglich ist, berichtet das Portal CarNewsChina.
Fraglicher Nutzen für Aerodynamik
Untersuchungen zeigen, dass die aerodynamischen Vorteile dieser Türgriffe deutlich kleiner sein könnten als oft angegeben. Die Plattform Ars Technica berichtet, dass voll versenkbare Türgriffe den Luftwiderstandsbeiwert (cW-Wert) nur um etwa 0,005 bis 0,01 cW verbessern, was in der Praxis kaum spürbare Effizienzgewinne bringt, oft weniger als 0,6 kWh pro 100 Kilometer. Gleichzeitig wiegen zusätzliche Komponenten wie Motor oder Mechanik mehrere Kilogramm, so dass sich der Netto-Gewinn an Reichweite sogar reduziert.
Trendsetter Tesla
Tesla stellte die Idee der versenkbaren Türgriffe mit dem Model X im Jahr 2015 erstmals unter dem Ansatz, glatte Karosserien ohne Türgriffe für bessere Aerodynamik zu entwickeln, vor. Der Hersteller denkt das Konzept inzwischen weiter. Chefdesigner Franz von Holzhausen erklärte in einem Podcast Bloomberg gegenüber: "Das Ziel ist es, die elektrische und mechanische Türöffnung in einem einzigen Bedienelement zu vereinen, um in Paniksituationen eine schnellere und intuitivere Bedienung zu ermöglichen."
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