Mitte 30, kein Führerschein: Wie es ist, der Spätzünder in der Fahrschule zu sein

Mitte 30, kein Führerschein: Wie es ist, der Spätzünder in der Fahrschule zu sein
Ob man als 34-Jährige (oder älter) in der Fahrschule auffällt und wie viel Zeit, Geld und Überwindung der Führerschein wirklich kostet.

Die Oma hatte auch keinen Führerschein. Fuhr 93 Jahre gut mit dieser Lebensentscheidung, bereut und vermisst hat sie nichts. Auch ich verspürte die vergangenen 34 Jahre kein Manko. Habe das Dasein auf dem Beifahrersitz perfektioniert und bin als Wienerin mit Bahn, Bim oder Bus von Geburt an verwöhnt.

Dennoch: Am 23. Oktober 2024 schloss ich in der Fahrschule Schwedenplatz den Ausbildungsvertrag für die Lenkberechtigung der Klasse B. Zum einen, um von Freunden und Familie nicht länger mit Bedrohungsszenarien drangsaliert zu werden (Was, wenn dein Fahrer mitten auf der Autobahn plötzlich ohnmächtig wird?). Zum anderen, weil ich den Schein beruflich und privat heuer tatsächlich gebraucht hätte. 

Also geht es mit Mitte 30 erstmals in die Fahrschule. Wissend, unter all den Anfängern vermutlich die Älteste zu sein.

Die duale Ausbildung und der nötige Papierkram

Knapp 50.000 B-Führerscheine wurden laut Statistik Austria 2023 in Österreich ausgestellt. Die Tendenz ist fallend, vor zehn Jahren waren es noch mehr als 62.000. 

Der Weg zum Schein variiert. Ich entscheide mich für die vergleichsweise günstige Variante, die duale Ausbildung. Kosten: 1.200 Euro. Die Vollversion kommt auf 1.700 bis 2.550 Euro. 

Ähnlich wie beim L17 lege ich, bewaffnet mit dem L-Taferl, im Privat-Pkw die nötigen Kilometer zurück. In meinem Fall sind das 1.000, natürlich in Begleitung eines erfahrenen Lenkers.

Die Voraussetzung ist ein kurzes Beratungsgespräch für den Papierkram, eine Untersuchung beim Amtsarzt, drei Doppelfahrstunden mit einem Profi-Fahrlehrer inklusive Einweisungsgespräch von Fahrschüler und Begleitung und – jetzt kommt’s – alle 16 Theorie-Module zu je hundert Minuten, die mich fast dazu bewegten, wieder kehrtzumachen.

Wie sollen sich 27 Theoriestunden mit verpflichtender Anwesenheit neben einem Vollzeitjob ausgehen? Es geht sich aus. 

Kurse gibt es von Montag bis Donnerstag meist dreimal täglich. Die späteste Einheit am Schwedenplatz ab 18.30 Uhr. Genügt das nicht, darf man auf andere drivecompanys (AKH, Schwechat) ausweichen. Das Wissen üben, lässt sich von überall aus mittels App. Theorieprüfungstermine gibt es jeden Donnerstag. Fahrstunden lassen sich mit Aufpreis auch auf den Abend legen. 

An den Formalitäten scheitert man als vielbeschäftigter Spätzünder somit nicht. Auch das befürchtete Alien-Gefühl stellt sich als Ü-Dreißiger nicht ein.

Mitte 30, kein Führerschein: Wie es ist, der Spätzünder in der Fahrschule zu sein

Kleine Entwarnung: Als "älteres Semester" fällt man in der Fahrschule nicht auf. Von 15 bis 70 ist jeder vertreten

Der Weg zum Führerschein: Wie lange die Ausbildung dauert

Der Altersdurchschnitt im Kurs lässt sich kaum beziffern. Ich treffe Ältere, Jüngere, angehende Fahrschullehrer. „Die Bandbreite ist irrsinnig groß. Von fünzehneinhalb bis siebzig ist hier jeder vertreten“, bestätigt Marlene Lewi von der Fahrschule Schwedenplatz. 

Ein kleines Unterscheidungsmerkmal ist vielleicht die Aufmerksamkeit. Manch Jüngerer, der seine Ausbildung vermutlich nicht selbst bezahlt, lässt sich gerne berieseln, spielt mit dem Handy. Empfehlenswert ist das nicht, mahnt Lewi. „Schon bei den Informationsgesprächen sagen wir allen: Wenn du beim Kurs mitarbeitest, hast du einen Vorteil beim Lernen.“

Je schneller die Theorieprüfung erledigt ist, desto schneller läuft die komplette Führerscheinausbildung, spricht Lewi aus Erfahrung. Die ganz Flotten könnten nach acht Wochen schon ihren Führerschein in den Händen halten. Realistischer sind vier bis sechs Monate, doch auch das ist kaum zu schaffen, wenn man sich mit der Theorieprüfung Zeit lässt. 

Das L-Taferl verführt dazu. Die notwendigen Kurse werden schnell durchgeboxt, nur um an den behördlichen Bescheid fürs Privatfahren zu kommen. Und da ertappe ich mich selbst.

Mitte 30, kein Führerschein: Wie es ist, der Spätzünder in der Fahrschule zu sein
Mitte 30, kein Führerschein: Wie es ist, der Spätzünder in der Fahrschule zu sein
Mitte 30, kein Führerschein: Wie es ist, der Spätzünder in der Fahrschule zu sein

Bereit für das L-Taferl, jetzt geht die Praxis so richtig los

Binnen fünf Wochen habe ich alles Nötige absolviert. Sogar den Erste-Hilfe-Kurs und die Pflicht-Fahrstunden (wie das gelaufen ist, lesen Sie bald in Teil zwei der dreiteiligen Reihe). Das einzige Ziel vor Augen: das blaue L in der Windschutzscheibe. Meine Lernapp blieb indessen fast unangetastet. Das wird sich jetzt ändern.

Mit dem heutigen Tag beantrage ich zwar den ersehnten Bescheid. Da die Ausstellung in der Hauptstadt vier Wochen und länger dauert, lege ich bis dahin aber eine tägliche Theorie-Einheit auf dem Smartphone ein oder nehme mir das zumindest vor. 

Und drehe auf dem Übungsplatz mit meiner künftigen Begleitung schon ein paar Runden. Aufregend ist das für beide Parteien. Schließlich habe ich jetzt etwas, das mein Beifahrer nicht hat: Bremse, Kupplung und (Voll-)Gas.

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