Mit Lochkarten statt KI: Entwickler des ersten G erinnert sich

Mit Lochkarten statt KI: Entwickler des ersten G erinnert sich
1979 kam die allererste G-Klasse auf den Markt. Wir trafen den an der Entwicklung des ersten G maßgeblich beteiligten Österreicher Friedrich Rohr.

Die Videos von den Erprobungsfahrten des ersten G wirken heute abenteuerlich. Datenübertragung mittels sich abwickelnder Kabelrolle am Heck und Analyse der Wasserverteilung im Motorraum mittels offener Motorhaube und festgezurrtem Ingenieur an der Front als Beobachter. Einer der Entwickler der ersten Stunde, der gebürtige Klagenfurter Friedrich Rohr (Jahrgang 1945), erinnert sich zurück: 

Welchen Job haben Sie damals bei Steyr-Daimler-Puch gehabt?

Rohr: Ich war damals Leiter der Versuchsabteilung Vierrad. Wie der G auf dem Markt war, bin ich Geschäftsführer der gemeinsamen Tochtergesellschaft (Geländefahrzeug Gesellschaft, Anm.) geworden. 

Wann haben Sie mit der Arbeit am G begonnen?

Wir haben 1974 die ersten Prototypen gebaut. Nachdem die Zusammenarbeit von Steyr-Daimler-Puch mit Mercedes eine 50:50-Beteiligung war, haben wir aufgeteilt, wer was macht. Die Aggregate, also Motor, Getriebe, sind von Mercedes gekommen. Die Achsen mussten neu entwickelt werden, auch das Verteilergetriebe ist in Graz entwickelt worden. Wir haben die Prototypenfertigung und die Fahrversuchen am Schöckl übernommen. Ich kann man ich erinnern, bei meiner ersten Testfahrt bestand das Auto nur aus Fahrgestell, Sitz, Spritzwand und Überrollbügel - aus. Damit bin ich von Graz aus über Eisenerz nach Steyr gefahren. Dass unser erstes Schaltschema nicht kundengerecht war, hat mir übrigens meine Frau erklärt, die gefragt hat, wie man so einen Blödsinn machen kann. Wir haben es umgestellt.

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Wann sind die ersten Hürden aufgetaucht?

Ich muss sagen, die Euphorie war so groß, dass wir gut unterwegs waren. Die ersten Probleme betrafen die Festigkeit, die wir anfangs unterschätzt haben. Auch die Sperren der Hinterachse, wo die Erfahrung mit der Starrachse gefehlt hat - die haben anfangs nur eine kurze Lebensdauer gehabt. Wir waren ja zwei Firmen und jeder wollte besser sein als der andere und wir haben uns gegenseitig gepusht. Vielleicht ist der G deswegen nicht nur das schwerste, sondern auch beste Auto geworden.

Eine Computersimulation gab es damals ja nicht…

Nein, das hatten wir nicht. Berechnungen hat es schon gegeben. Das war damals so, dass unser Berechnungschef ein Gittermodell mit 10 mal 10 cm großen Quadraten angefertigt hat, das Ganze aufgelöst und auf Lochkarten übertragen hat. Aber in ganz Österreich hat es keinen Rechner gegeben, der das rechnen hätte können. Wir haben dann in Stuttgart eine Nacht Rechenzeit bekommen und er ist mit dem Koffer voller Lochkarten nach Stuttgart geflogen und gehofft, dass kein Fehler drin ist und am nächsten Tag ein verwertbares Ergebnis rauskommt, sonst wäre alles umsonst gewesen. Das waren völlig andere Zeiten. Heute man einen 3D-Drucker und das Zeug ist da. Die einzelnen Teile mussten damals in Handarbeit hergestellt werden. Ich kann mich erinnern, dass ein einziges Scharnier 600 DM gekostet hat.

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Wenn Sie heute mit einer aktuellen G-Klasse fahren, was sagen sie zum Fortschritt?

Ich muss sagen, es ist faszinierend. Wir haben ein wunderbares Auto gehabt und es ist heute noch wunderbar. Aber im Gelände, wo wir mit 5 bis 10 km/h gefahren sind, fahren sie heute mit 50 oder 60 km/h. Der hydraulische Wankausgleich beim AMG ist unglaublich. Das sind Technologien, die das Fahren schneller und leichter machen. Aber am Ende mussten wir die gleiche Strecke überwinden. Wir sind damals die 100 Prozent gefahren und wir haben ähnliche Strecken geschafft – nicht mit dem Komfort und der Leichtigkeit von heute natürlich. Aber so wie es heute ist, macht es unglaublichen Spaß.

Und was sagen Sie zum elektrischen G?

Ich verneige mich vor den Entwicklern, dass sie das überhaupt angegangen sind, und dass sie dann eine solche Lösung gefunden haben. Ich finde es toll, dass es das gibt, aber es wird nicht mein Auto sein.

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