E-Auto-Verbreitung: Wie die Rechnung ohne den Wirt gemacht wurde
Schlagzeilen über den Markterfolg von Elektroautos werden gerne gesehen. Nicht zuletzt von der Politik, die ja mit ihren Vorgaben für ein Zulassungsverbot von Verbrennungsmotoren ab 2035 dafür gesorgt hat, dass die Autohersteller in ein entsprechendes Modellangebot investieren mussten.
Hört man sich jedoch in der Branche um, dann klingen die Jubelmeldungen („Elektro überholt im Oktober erstmals Diesel“) eher wie ein Pfeifen im Wald. Denn trotz des Marktanteilzuwachses von Batterie-elektrischen Modellen auf rund 14 Prozent der Neuzulassungen in Europa im laufenden Jahr macht sich düstere Stimmung breit.
Basieren die Zahlen doch darauf, dass heuer vor allem jene E-Autos neu zugelassen werden, die bereits im Vorjahr (und teilweise noch früher) verkauft wurden. Und aufgrund der Chip- und Ersatzteilkrise nur mit großen Verzögerungen gebaut werden konnten.
Während also die Bestelllisten abgearbeitet werden, tut sich dahinter teilweise gähnende Leere auf. Der aktuelle Verkauf lahmt schon seit Beginn des Jahres. Und das speziell bei Elektroautos. Was einerseits mit der Investitionszurückhaltung von Firmen zu tun hat, deren Fahrzeugflotten bisher das Rückgrat der E-Auto-Verbreitung bei uns gebildet haben.
Anderseits ist gerade in unsicheren Inflationszeiten wie diesen nicht zu erwarten, dass sich der Privatkundenanteil weit über die aktuellen rund 20 % hinaus entwickelt.
Und das, obwohl das Angebot an Modellen mit reinem E-Antrieb inzwischen Fahrt aufgenommen hat und die Palette beständig wächst.
Allerdings zeigt sich jetzt, dass die Politik – und durch sie getrieben die Autoindustrie – die Rechnung offensichtlich ohne den Wirt gemacht hat. Den repräsentiert die große Mehrheit der Autonutzer, die ihr Fahrzeug – aus den unterschiedlichsten Gründen - täglich brauchen. Und sich keine teuren (Anschaffungspreis) und unsicheren (Lade-Infrastruktur) Experimente leisten können.
Anders gesagt: Die Hersteller sind zwangsläufig gerade dabei, die Elektromobilität aus der Nische für die berühmten Early-adopters, die ebenso finanzstark wie leidensfähig sind, ins Volumen zu führen. Treffen dabei aber auf einen Markt, der entgegen den Vorhersagen der Politik noch nicht bereit dafür ist.
Oder wie es die Vertriebschefin von VW, Imelda Labbé, im Branchenmagazin Automobilwoche formuliert hat: „Wir müssen auch die erreichen, die kein eigenes Haus haben und damit keine sichere Ladeinfrastruktur.“
Was offensichtlich schwieriger ist, als sich das jene Politiker – aus allen Mitgliedsstaaten - gedacht haben, von denen das EU-weite Zulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 beschlossen wurde. Wodurch die Fahrzeughersteller in milliardenschwere Investitionen in E-Autos getrieben wurden, deren Refinanzierung nun auf dem Spiel steht.
Dass etwa VW die Produktion seiner Elektromodelle bereits zurückgefahren hat, ist nur ein Zeichen dafür, dass die Realität hinter den Wunschvorstellungen zurückbleibt. Der Versuch aller Hersteller, die bereits produzierten Ladenhüter mit Rabatten loszuwerden, bevor die Batterie-Physik bei den auf Halde stehenden Stromern mit Leistungsverlusten zuschlägt, trägt ebenfalls nicht gerade zur Vertrauensbildung bei der Kundschaft bei.
Das Schlimmste, was dem Projekt „Elektroautos ersetzen Verbrenner-Fahrzeuge“ aber passieren kann, ist das bereits absehbare Einknicken der Politik vor den selbst aufgestellten Regeln. Was etwa im Brexit-Land gerade passiert, wo der um sein politisches Überleben kämpfende Premierminister eine Verschiebung des bisher so strikt vor sich hergetragenen Ausstiegsdatums aus der Verbrennerwelt ventiliert.
Was zu der kuriosen Situation führt, dass die britische Autoindustrie aus schierer wirtschaftlicher Not jetzt die Einhaltung jener Regeln einmahnt, gegen die sie ursprünglich aufgetreten ist. Und die ihr den Verkauf jener Elektroautos ermöglichen sollen, die sie alle gerade notgedrungen in der Pipeline haben.
Sollten sich die Briten tatsächlich von der verpflichtenden E-Auto-Einführung verabschieden, wird das wohl auch die Diskussionen in der EU um das eigene Ausstiegsszenario wieder anheizen.
Und möglicherweise den Blick aller Beteiligten auf dessen praktische Realisierbarkeit in der derzeit vorgegebenen Zeit schärfen.
Soll das bis dahin mit viel finanziellem und technischem Aufwand weiterentwickelte Elektroauto dadurch nicht wirtschaftlich auf der Strecke bleiben, wird dessen potenzielle Massenkundschaft an Bord geholt werden müssen.
Aber eben nicht durch Verbote, sondern durch stark verbesserte Einsatzbedingungen.
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