"Kaufe Auto"-Visitenkarten: Wohin 177.000 Altautos jedes Jahr verschwinden
Österreich ist ein Autoland mit rund 5,2 Millionen Bestandsfahrzeugen. Weil Autos aber nicht ewig fahren, ihre durchschnittliche Lebensdauer liegt aktuell bei 17 bis 18 Jahren, wurden im vergangenen Jahr 205.000 Autos als Altfahrzeuge aus dem Verkehr ausgeschieden. Manche von ihnen stehen irgendwo herum und verrotten. Andere, rund 28.000, werden ordentlich entsorgt und recycelt. Für die Mehrheit aber – immerhin 177.000 Fahrzeuge – ist der Verbleib ungeklärt. Wo sind diese Fahrzeuge?
„Da gibt es eine ganze Legion an Visitenkartensteckern von der Elfenbeinküste, aus Ghana oder Nigeria, die kaufen für wenig Geld diese Altautos auf“, weiß Walter Kletzmayr, Geschäftsführer der ARGE Shredder. Dann verläuft der Weg meist so: ein Transporter bringt die Autos zum Hafen Rotterdam, dort werden sie nach Afrika verschifft. „Das ist keine tolle Geschichte“, sagt Kletzmayr und erzählt: 50 Euro würden dem Letztbesitzer bezahlt, der sei oft froh, dass das Auto weg ist. Dann wird der Katalysator rausgeholt, da ist Platin und Rhodium drin, und zu Geld gemacht. Mit diesen 150 Euro wird wiederum der Transport nach Afrika finanziert. Die Autos würden in Ghana für teures Geld an die Bevölkerung verkauft und, desolat wie sie sind, auf die Straße gelassen. „Da funktioniert dann nichts mehr, da ist alles hin. Für die Menschen und ihre Gesundheit und für die Umwelt eine Katastrophe“, warnt Kletzmayr.
In Afrika sei zudem meist viel Korruption im Spiel. „In Ghana muss man sich für ein neues Auto bei der Regierung anmelden, hat mindestens zwei Jahre Wartezeit“, erzählt er. Ein Gebrauchtes aus Europa ist deshalb oft die erste Wahl. „20 Jahre alte Autos werden dort um 6.000 Euro gehandelt“, weiß Kletzmayr. Es sind Millionen schrottreife Autos, die auf diese Weise jedes Jahr in die Entwicklungsländer gebracht werden.
Autos in Österreich
Rund 5,185 Millionen Pkw gibt es in Österreich. 2023 wurden 239.000 Neuwagen angemeldet, 205.000 Pkw ausgeschieden – bei 177.000 ist der Verbleib ungeklärt
Rückgabe
Händler/Importeure sind verpflichtet, Altfahrzeuge kostenlos zurückzunehmen. Porsche Austria hat 2023 1.098 Autos zurückgenommen, Peugeot 472, Citroen 367, Opel 342
Recycling
96,49 Prozent eines Autos werden verwertet; 1110 kg hat ein Auto im Schnitt, rund 33 kg werden letztlich deponiert
Altstoffe fehlen
Das bedenkliche Afrika-Geschäft hat auch für Österreich große Relevanz. Zum einen, weil hier unbefugte Händler einen regen Handel betreiben. Zum anderen, weil die Rohstoffe aus der Wiederverwertung fehlen. „Kaum jemand weiß, dass Fahrzeuge einfach beim Händler zurückgegeben werden können“, sagt Alfred Störchle vom Sekundärrohstoffhandel der WKO. Die Hersteller haben sogar die Verpflichtung laut EU-Verordnung, die Autos zurückzunehmen.
2023 sei ein besonders schlechtes Jahr der Auto-Wiederverwertung gewesen. Bedingt durch den beschriebenen „Schwund nach Afrika“, aber auch, weil Fahrzeuge aktuell länger in Betrieb bleiben, wieder viel mehr repariert werden – die Altfahrzeugexperten sprechen von einem Reparatur-Tourismus mit dem Osten. Heißt: Autos werden in Polen repariert und kommen wieder zurück.
Dass 86,5 Prozent aller nicht mehr fahrfähigen Altautos aber einfach verschwinden, sei ein Problem für Mensch und Natur. Denn das Recycling der Rohstoffe, die Kreislaufwirtschaft werde dadurch verunmöglicht. Nur bei sachgemäßer Entsorgung werden die Stoffe richtig wiederverwertet. „96 Prozent des gesamten Autos wird wiederverwendet oder verwertet“, erklärt Kletzmayr. Das heißt, aus Material wird wieder Material und die Kreislaufwirtschaft lebt. Erlös pro Auto durch Recycling: rund 400 Euro.
In Österreich habe man die beste Technologie bei der Entsorgung und Wiederaufbereitung, „aber das hilft nichts, wenn die Autos nach Afrika gehen und dort zur Belastung werden“, sagt Alfred Störchle. „Wir brauchen die Kreislaufwirtschaft und uns fehlen die Materialien – nur wenn wir wiederverwenden, entlasten wir die Umwelt.“
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