Zweites Orbánistan ist vorerst abgewehrt

Die FPÖ wollte ein autoritäres Regime wie Ungarn. Aber was wollen ÖVP und die anderen Parteien?
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Das Ibiza-Video wurde mit großer krimineller Energie hergestellt. Die Hintergründe werden noch zu klären sein. Aber die Ausschnitte zeigen uns, was die FPÖ mit Österreich vorhatte: Die Kopie des autoritären Regimes von Viktor Orbán mit – Zack,Zack,Zack – gleichgeschalteter Medienlandschaft, einer staatlichen organisierten Korruption und dubiosen Geldströmen. Und der Einfluss russischer Oligarchen war vorbereitet. Nichts davon konnte uns überraschen, Herbert Kickl hat ja schon in kurzer Zeit Schlimmes angerichtet, vom Zweifel an den Menschenrechten bis zur Zerstörung der Sicherheitsbehörde BVT. Die ÖVP wird in den kommenden Monaten noch erklären müssen, warum sie all diesen Aktivitäten nichts entgegengesetzt hat.

Auch wenn die Regierung vor dem Skandal in allen Umfragen eine Mehrheit hatte – ein zweites Orbánistan wollen die Menschen nicht. In den kommenden Monaten soll also geklärt werden, wie sich Österreich weiter entwickeln soll. Dass Reformen in vielen Bereichen wichtig sind, ist ja klar. Anstatt auf Brüssel zu zeigen sollte hier die Bürokratie reduziert werden, die Kosten auf Arbeit bleiben auch nach der Steuersenkung zu hoch, für die Pflege gibt es keinen Plan, um nur einige Themen zu nennen. Reformen müssen mit parlamentarischen Mehrheiten beschlossen werden, eine selbstbewusste Opposition ist auch unverzichtbar für eine Demokratie. Aber die Politik muss vorher zu einem Prinzip zurückkehren, das Sebastian Kurz zuerst in seiner Partei und dann im ganzen Land abgeschafft hat: Die Suche nach Gemeinsamkeiten statt dem zelebrierten Egozentrismus. Dazu gehören offene Auseinandersetzungen und Debatten, die sich nicht kontrollieren lassen. Da ist es bedauerlich, dass SPÖ und FPÖ nicht ihr Spitzenpersonal zum gestrigen Gespräch mit dem Kanzler geschickt haben, auch wenn dieser erst sehr spät dazu bereit war.

Wer will was für die Zukunft Österreichs?

Das Scheitern der Regierung ist aus vielen Gründen gut für Österreich. Wie sähe es bei einer jederzeit möglichen Wirtschaftskrise aus, wenn Regierung und Sozialpartner nur mehr übereinander und nicht mehr miteinander reden? Die Erfolge nach dem 2. Weltkrieg sind auch der Gesprächsfähigkeit der Politik in schwierigen Zeiten zu verdanken. Und die „Message Control“ hat sich endgültig lächerlich gemacht.

Die Wähler können jetzt erwarten, dass die Parteien erklären, wie Österreich in 10 Jahren aussehen soll. Wo brauchen wir mehr Freiheit, wo mehr Eigenverantwortung, wo ist die Solidarität Grundlage des Zusammenlebens? Für diese Fragen können wir konkrete Antworten erwarten. Das wird entscheidend, nicht die aktuellen taktischen Spielchen. Ob Herr Kurz in der kommenden Woche abgewählt wird oder nicht, verändert den Lauf der Welt nicht, das Fehlen von konkreten Konzepten aber kann uns beschädigen.

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