Zum Erfolg des Fußball-Nationalteams: Lernen von Arnautovic

Zum Erfolg des Fußball-Nationalteams: Lernen von Arnautovic
Der aktuelle Aufschwung hat mit einer eher un-österreichischen Einstellung zu tun. Lässt sich das neue Siegergen auch auf andere Gesellschaftsbereiche übertragen?
Philipp Albrechtsberger

Philipp Albrechtsberger

Angesichts der aktuellen Euphorie um das österreichische Fußball-Nationalteam soll an dieser Stelle gleich mit einer Fehleinschätzung aufgeräumt werden: Es ist keine Sensation, dass sich Österreich mit ziemlicher Sicherheit für die Europameisterschaft im kommenden Sommer qualifizieren wird. Selbiges gelang der Auswahl auch mit den beiden Vorgängern von Teamchef Ralf Rangnick.

Das hat einerseits natürlich mit der Aufstockung der Endrunde auf 24 Teilnehmer im Jahr 2016 zu tun (aktuell hat selbst Luxemburg Chancen auf eine EM-Teilnahme). Nicht leugnen lässt sich andererseits aber auch eine erfreuliche Entwicklung und ein neues Selbstverständnis rund um Marko Arnautovic und Kollegen, seit der 65-jährige Fußballlehrer aus Deutschland das Sagen hat.

Unbegründet ist die Begeisterung nach dem 3:1-Erfolg in Schweden am Dienstag daher nicht. Weil nach all den Jahren des Mittelmaßes, des Gegner-Stark-Redens und der Genügsamkeit plötzlich irgendetwas fundamental anders wirkt.

Zu sehen sind nun hochveranlagte Menschen, Profis im besten Wortsinn, die ihren Fähigkeiten vertrauen und endlich ihre Stärken ausspielen wollen, anstatt auf Schwächen der Gegner zu warten. Zu hören sind Nationalspieler, die selbstbewusst, aber dennoch keineswegs abgehoben (man kennt das auch anders von Fußball-Millionären; auch von österreichischen) Ziele formulieren.

Dabeisein ist nicht mehr alles

Gruppenrang 1 in der EM-Qualifikation vor Belgien, der aktuellen Nummer 5 der Weltrangliste, ist so eine Ansage, formuliert auch vom Teamchef höchstpersönlich. Platz 2, der ebenfalls für die EM-Teilnahme reicht (und der es am Ende vielleicht auch wird), wäre die altbewährte, die österreichische Herangehensweise.

Man muss all den Ankündigungen freilich auch Taten folgen lassen. Allerspätestens wieder im Sommer 2024. Denn beim EM-Turnier muss gelten: Dabeisein ist nicht mehr alles. Die Beteiligten wissen das.

Womöglich ist das Austreiben dieser manchmal charmanten, prinzipiell aber wettbewerbsfeindlichen Mentalität die bisher größte Leistung von Ralf Rangnick in seiner etwas mehr als einjährigen Amtszeit beim Österreichischen Fußball-Bund. Und womöglich ist es genau dieser Gesinnungswandel, der die lange Zeit bemühte Verbindung schafft zwischen der wichtigsten Sportmannschaft des Landes und großen Teilen der Bevölkerung. Man muss kein glühender Fußball-Fan sein, um dieses Team gut zu finden.

Ein Sportteam taugt dennoch nur bedingt als Projektionsfläche für gesellschaftliche Sehnsüchte aller Art. Schon gar nicht in Österreich, wo im Sport provinzielle Strukturen herrschen, die die Landeshauptleutekonferenz im Vergleich dazu als modernen Thinktank erscheinen lassen. Auch Systemfehler wollte Ralf Rangnick aufzeigen und ansprechen und damit manchmal auch anecken. Ihm steht es sogar ein Stück weit zu, mit manchen Ideen über das Ziel hinauszuschießen. 

Das dürfte sein härtestes, aber vielleicht auch sein wichtigstes Match werden.

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