Wohnung statt Parkbank

Damit Obdachlose im Winter nicht wie hier im Bild auf der Donauinsel ihr Zelt aufschlagen müssen.
Markus Reiter

Markus Reiter

Niemand hat das Recht, anderen vorzuschreiben, nicht im Park zu übernachten.

von Markus Reiter

über Obdachlose und den Umgang mit ihnen

Stellen Sie sich vor, sie sind obdachlos. Es ist eisig kalt, nass und feucht. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben Sie alles verloren: Eigentum, Job, Wohnung, Partnerschaft, Familie, Freunde und Freundinnen. Hinzu kommen Krankheiten wie offene Wunden an den Beinen. Atembeschwerden. Und die Fragen danach, wo Sie am nächsten Tag schlafen sollen. Wo Sie in Sicherheit sind. Sie haben Angst, unter Menschen zu gehen. Angst, Hilfe anzunehmen. Angst, Ihre Geschichte zu erzählen. Angst, zu irritieren. Helfen könnte eine Sozialarbeiterin. Eine Ärztin. Vertrauen. Und Mut. Mut, das Leben doch wieder in die Hand zu nehmen.

Polizeieinsatz

Stattdessen wird Obdachlosigkeit zunehmend mit Polizeieinsätzen begegnet. In Ungarn ist die strafrechtliche Verfolgung von obdachlosen Menschen gar in den Verfassungsrang gehoben worden. Mit der Vertreibung obdachloser Menschen aus dem Wiener Stadtpark läuft nun auch Österreich in Gefahr, diesem negativen Beispiel zu folgen. Hier legitimiert eine Campierverordnung von 1985 dieses völlig falsche Vorgehen. Aber nicht alles, das legal ist, ist auch legitim. Wem gehört der öffentliche Raum? Er gehört uns allen. Niemand hat das Recht, anderen vorzuschreiben, nicht im Park zu übernachten. Das widerspricht einer liberalen Gesellschaft, die Eigenverantwortung und freie Lebensgestaltung vorsieht. Und doch übernachtet aber umgekehrt niemand freiwillig auf einer Parkbank. Sondern: Aus Mangel an tatsächlichen Alternativen.

Nachtquartiere

Deswegen finde ich es an der Zeit, über die Antwort der Stadt Wien auf die dramatische Räumungsaktion, das geplante „Winterpaket“, hinauszugehen. Im Rahmen dieses Winterpakets soll die Notversorgung mit Nachtquartieren aufgestockt werden. In der Nacht vor dem Erfrieren geschützt sein, zumindest ein Dach über dem Kopf, einen Polster und eine Decke zu haben: Das ist wichtig, manchmal sogar überlebenswichtig. Und ein erster Schritt. Aber Notquartiere sind keine adäquate – vor allem keine dauerhafte – Lösung. Sie lösen das Armutsproblem nicht und stellen keine solide Wohnform dar. Sie lösen also das Menschenrecht auf Wohnen nicht ein.

Leistbare Wohnung

Eigenverantwortung stärken und Solidarität tatsächlich leben sind zwei meiner Hauptansatzpunkte für die zukünftige Gestaltung sozialstaatlicher Leistungen. Daher plädiere ich für neue mutige Wege, die dem Problem wirklich auf den Grund gehen: Wir brauchen tatsächlichen Zugang zu leistbaren Wohnungen für (noch) obdachlose Menschen. Mit Betreuung auf Augenhöhe, im Rahmen einer normalen Wohnung. Integriert in die Mitte der Gesellschaft. Mit dem sozial innovativen Housing First, das von der Stadt Wien mit Obdachlosenorganisationen wie dem neunerhaus entwickelt wird, wird genau dieser Schritt gemacht. Und genau davon braucht es mehr, wenn unmenschliche Räumungsaktionen wie im Stadtpark künftig wirklich der Vergangenheit angehören sollen.

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