Wir sind hier nicht im Wilden Westen

Weil man die Fotos jetzt direkt in der Google-Suche runterladen kann, reicht Getty eine Beschwerde ein.
Viviane Reding

Viviane Reding

Auf Google könnte in Europa also viel Arbeit zukommen.

von Viviane Reding

über Datenschutz und Europäisches Recht

Auch ein Gigant mit einer weitgehenden Monopolstellung darf nicht alles. Spätestens seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen Google Mitte Mai steht fest: In der EU wiegen die Persönlichkeitsrechte der Bürger schwerer als das Wissen des Suchmaschinenbetreibers. Der Konzern hat angekündigt, sich nun an EU-Recht halten zu wollen.Es wurde höchste Zeit. Das Urteil zwingt Google dazu, auf berechtigten Antrag von EU-Bürgern Teile von Suchergebnissen aus den Trefferlisten vollständig und dauerhaft zu löschen. Jeder, der als nicht-öffentliche Person durch die Präsentation von Suchergebnissen seine Privatsphäre verletzt sieht, kann unter bestimmten Bedingungen verlangen, dass Google diese Informationen nicht mehr anzeigt. Das heißt nicht, dass diese Daten vollends aus dem Internet gelöscht sind. Das Gericht pocht zu Recht auf ein gesundes Gleichgewicht zwischen der Profil bildenden Aufbereitung persönlicher Daten durch ein globales Unternehmen und der freien Meinungsäußerung, die durch das Urteil nicht berührt wird. Das Recht auf Meinungsfreiheit ist und bleibt in der EU unantastbar. Aber wir müssen auch andere Grundrechte schützen. Laut Umfragen will allein jeder zweite Deutsche Daten aus dem Gedächtnis von Internetfirmen entfernen lassen. Auf Google könnte in Europa also viel Arbeit zukommen. Prompt wird jenseits des Atlantiks eine „Überregulierung“ in Europa beklagt. Das ist verfehlt. Die Kritiker in den USA sollten sich das Urteil des EuGH genau ansehen. Es bestätigt nicht nur das Datenschutzgesetz von 1995, sondern auch die modernisierte Datenschutzgrundverordnung, die die EU-Kommission Anfang 2012 vorgelegt hat. Diese besagt: Konzerne, die in unserem Binnenmarkt Geschäfte machen wollen, haben sich an EU-Gesetze zu halten. Das gilt für alle Unternehmen. Was andernfalls passieren kann, spüren einige US-Firmen bereits: Das Vertrauen der Verbraucher schwindet, und damit Umsatz. Um Kunden zu halten, müssen Unternehmen beweisen, dass sie die Gesetze achten und ihre Daten – wichtiges Kapital – schützen.

Sinneswandel

Anders, als es die Aufregung um das Urteil vermuten lässt, ist diese Botschaft bei den meisten Konzernen längst angekommen. Immer mehr US-Unternehmen errichten elektronische Datenspeicher, die sogenannte Cloud, auf europäischem Boden. Datenschutz in Europa wird zum Verkaufsargument. Statt Millionen in Lobbyarbeit gegen europäische Gesetze zu stecken, könnten amerikanischen Firmen ihre Gewinne viel effektiver steigern, indem sie ihre Geschäftsmodelle an europäischen Datenschutz anpassen. Damit hätten sie die nötige Rechtssicherheit und müssten keine kostspieligen Klagen fürchten. Jeder sollte wissen: Die EU wird nicht hinter ihre Standards zurückfallen, wenn es um den Schutz der Freiheitsrechte ihrer Bürger geht. Darauf können wir in Europa stolz sein.

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