Wir sind die 99 Prozent

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Gastkommentar
Michaela Reitterer

Michaela Reitterer

Gewerbliche Betriebe schultern immer mehr Lasten

von Michaela Reitterer

über Probleme mit der Gewerbeordnung

Konsumentenschutz, Hygiene, Arbeitszeiten sind in Österreich Standard. Für alle? Nein, die kleine, boomende Sharing Economy macht es sich im rechtlichen Graubereich gemütlich, während gewerbliche Betriebe immer mehr Lasten schultern. Doch dann: die Reform der Gewerbeordnung! Die Chance, die Betriebe zu entlasten. Das scheitert grandios: Auch nach der Novelle (von Reform kann keine Rede sein) reicht ein Gewerbeschein pro Unternehmen nicht. Was hat der Gast davon, dass das Unternehmen einen Mitgliedsbeitrag mehr an eine Fachorganisation abführt? Nichts. Der Unternehmer? Mehrkosten. Das sichert auch keine Lehrstelle. Aber – war das das Ziel der Nicht-Reform?

Oder hatten die involvierten Juristen einen sehr schlechten Tag? Regelt eine GewO aus 1859 im Jahr 2016 deswegen immer noch das "Feilbieten im Umherziehen von Ort zu Ort oder von Haus zu Haus" in 5 Paragrafen? Und die Sharing Economy kommt mit keinem Wort vor. Kleinteilige Novellen eines Gesetzes aus der ersten industriellen Revolution reichen kurz vor der vierten nicht.

Wollen Sie Anbieter fördern, die weder Arbeitsplätze schaffen noch Steuern zahlen? Versuchen Sie es so: Drücken Sie bei privater Shadow Economy k-&-k-mäßig beide Augen zu und kontrollieren Sie bei KMU immer mehr Vorschriften in preußischer Manie(r). Lassen Sie die einen möglichst dokumentieren, woher der Gast sein Reisedokument hat. Die anderen verpflichten Sie zur Bekanntgabe von: gar nichts. Wer etwas zu verbergen hat, gibt sich als "Freund der Familie" aus und bleibt für Sicherheitsbehörden genauso unsichtbar wie der Gastgeber fürs Finanzamt: Die Politik errichtet vorne einen Sicherheitszaun und lässt hinten die Balkontür offen.

Amtsschimmel

"Aber", wirft der informierte Leser vielleicht ein, "bei der Betriebsanlagengenehmigung gab es Verbesserungen!" Ja, vor allem für Neubauten. Das ist wie bei Mobilfunkanbietern: "Bestandskunden" gehen leer aus. Die größte Baustelle wurde da überhaupt übersehen: die Rechtssicherheit. Bekommt ein Unternehmen eine Feuerleiter vorgeschrieben, wird diese sofort eingebaut – Sicherheit hat Priorität! Jahre später, gleiche Behörde: Jetzt kann die Feuerleiter weg. Verwunderung. Kosten für Demontage, Abtransport und Entsorgung. Nächste Kontrolle, Frage der Behörde: Wo ist die Feuerleiter? Weg natürlich! Sie muss wieder her. Weil die Amtsperson ihre Meinung geändert hat. Österreich ist ein Rechtsstaat. Das Recht geht vom Beamten aus.

Hält deshalb nur ein Prozent der österreichischen Top-Hoteliers die Gewerbeordnung für zukunftsfit? Schwierig zu beantworten. Wie die Frage, wer dieses eine Prozent ist. Hoffen wir, dass die 99 Prozent Gehör finden. Beschlossen wird das Gesetz von den Politikern, die immer betonen, wie wichtig KMU sind. Und dem "Rückgrat der heimischen Wirtschaft" damit eine Skoliose verpassen, von der sie sich so schnell nicht erholt.

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